Nach den Weihnachtstagen werden 350 deutsche Soldaten in Kahramanmaras erwartet. Dort, in der östlichen Türkei, rund 100 Kilometer jenseits der syrischen Grenze, bauen sie ihre Raketenbatterien auf. Die „Patriots“ mit einer Reichweite von 70 Kilometern können syrisches Territorium nicht erreichen. Das ist von der Nato beabsichtigt. Denn in den in Syrien tobenden Bürgerkrieg will die westliche Allianz um Himmels willen nicht verwickelt werden. Wohl aber ihrem Mitglied Türkei im Fall syrischer Übergriffe beistehen.

Richard Kiessler zum Streit um deutsche Rüstungsexporte
Richard Kiessler zum Streit um deutsche Rüstungsexporte

Die Kampfstätte hat der UN-Sonderbeauftragte Lakhdar Brahimi diese Woche mit leeren Händen verlassen. So heftig sind die Gefechte, dass der algerische Vermittler nicht über den Flughafen Damaskus, sondern auf dem Landweg über den Libanon einreisen musste, um bei Syriens Präsident Baschar al-Assad vorzusprechen. Doch die Chancen einer von Brahimi vorgeschlagenen Übergangsregierung liegen bei null – ein Großteil der in der „Nationalen Koalition der syrischen Revolutionskräfte“ vereinten Opposition lehnt jeden Handel mit Assads strauchelndem Regime ab.

Der in seinem Palast hoch über Damaskus verschanzte Machthaber steht vor dem Kollaps. Assad geht das Geld aus, Getreue setzen sich ab, schon machen Putschgerüchte innerhalb des eigenen Clans die Runde. Gegen die Aufständischen und die kaum noch mit Lebensmitteln versorgte Zivilbevölkerung setzte das Regime in diesen Tagen nicht nur in Wohngebieten Mittelstreckenraketen vom Typ „Scud“ mit einem Sprengkopf von bis zu 1000 Kilo ein, sondern auch die international geächteten Streubomben des in Russland hergestellten Typs „RBK-250“. Und am Heiligen Abend behaupteten Aktivisten in der umkämpften Region Homs, bei Luftangriffen hätten „giftige Gase“ mehrere Tote gefordert.

Den Einsatz von Chemie-Waffen hält Russlands Außenminister Sergej Lawrow für „politischen Selbstmord.“ Lange, viel zu lange hat die Regierung in Moskau Assad die Stange gehalten und sich in der arabischen Welt isoliert. Angesichts der Gebietsverluste an die Aufständischen rechnet jetzt auch Russlands mit Assads baldigem Ende, und hat Kriegsschiffe ins Mittelmeer geschickt, um Tausende von Landsleuten evakuieren zu können.

Gemeinsam mit den USA teilt Russland die Sorge, die erheblichen C-Waffen-Arsenale Syriens aus russischer Produktion könnten in die Hände islamistischer Terrorkämpfer fallen. In Jordanien, dem Libanon und in Israel stehen für diesen Fall Spezialkräfte bereit, um die Depots vor Plünderungen zu schützen. In den Einsatz würden die Amerikaner Elite-Einheiten der Delta Force und der Rangers schicken, die Franzosen arabisch-stämmige Fallschirmjäger der Fremdenlegion und die Israelis ihre Sondereinheit Sayeret Mathal, deren Spähtrupps bereits in Syrien operieren.

Der Aufstand in Syrien geht ins dritte Jahr. Es ist zu befürchten, dass dieser religiöse und ethnische Konflikt noch blutiger wird – auch wenn Assad verjagt ist und das Land auseinander zu brechen droht.