Istanbul/Kairo. Sollte der Raketenkrieg zwischen Israel und den militanten Palästinensergruppen im Gazastreifen in eine längere militärische Auseinandersetzung münden, hätte dies Auswirkungen auf mehrere Staaten der Region.

Wie stark werden sich die Ägypter engagieren?

In Ägypten bestimmt heute die Muslimbruderschaft den Kurs der Außenpolitik. Sie teilt die Ideologie der Hamas-Bewegung. Konkrete Unterstützung für die Palästinenser im Gazastreifen ist für sie selbstverständlich. Dafür riskiert die neue Führung in Kairo auch das Wohlwollen der USA und der EU. Dass sich Ägypten noch einmal in einen Nahost-Krieg stürzen würde, gilt jedoch als ausgeschlossen.

Was bedeutet der neue Kriegsschauplatz für die syrische Revolution?

Die palästinensische Hamas-Bewegung unterhielt bis zum vergangenen Jahr gute Beziehungen zu Syrien. Die Exil-Führung der Hamas hatte ihren Hauptsitz in Damaskus. Sie wurde unterstützt vom Regime von Präsident Baschar al-Assad. Seitdem sich die Hamas auf die Seite der Revolutionäre gestellt hat, zu denen auch die ihr ideologisch nahestehende syrische Muslimbruderschaft gehört, ist das Tischtuch zerschnitten. Ein Krieg zwischen Israel und den militanten Palästinensern im Gazastreifen könnte den von vielen Beobachtern erwarteten Sturz von Präsident Assad verzögern. Denn die Bemühungen der arabischen und westlichen Partner der syrischen Opposition würden sich eine Zeit lang auf die Lage in Israel und den Palästinensergebieten konzentrieren.

Wird es an der Grenze zum Libanon ruhig bleiben?

Der libanesische Staat und seine Armee würden sich auf jeden Fall heraushalten. Was die vom Iran aufgerüstete schiitische Hisbollah-Miliz betrifft, so ist schwer vorherzusagen, ob sie der Hamas durch die Eröffnung einer zweiten Front beistehen würde. Denn der Syrien-Konflikt hat die Fronten in der gesamten Region verschoben.

Nutzt der Konflikt dem Iran?

Die Iraner können jetzt aus der Ferne zusehen, wie die von ihnen gelieferten Waffen in Israel die Alarmsirenen schrillen lassen. Vielleicht hat Teheran darauf spekuliert, dass Angriffe auf das eigene Staatsgebiet die israelische Regierung so beschäftigt halten, dass sie mittelfristig von einem Angriff auf iranische Atomanlagen absieht. Ob dieses Kalkül aufgeht, ist fraglich.

Betrifft die Eskalation im Gazastreifen auch die arabischen Monarchien?

Für die arabischen Monarchen wäre ein Krieg einerseits eine willkommene Gelegenheit, um die Bürger im eigenen Land beschäftigt zu halten. Denn sowohl in Jordanien als auch in Kuwait, Bahrain und einigen Regionen von Saudi-Arabien kriselt es im Moment. Auf der anderen Seite könnte es auch zu Protesten unzufriedener Bürger kommen, die von ihren Herrschern mehr Engagement für die Palästinenser fordern. Die einzige Ausnahme bildet dabei Kuwait, wo es große Ressentiments gegen die Palästinenser gibt. (dpa)