Gaza/Tel Aviv. Der Gaza-Konflikt schaukelt sich auf: Die radikal-islamische Hamas hat sich für israelische Bomben auf ihre Regierungszentrale gerächt und eine weitere Rakete Richtung Tel Aviv abgefeuert. Den dritten Tag in Folge wurde am Samstag Luftalarm ausgelöst.

Die israelische Raketenabwehr zerstörte das Geschoss in der Luft, sie war erst wenige Stunden zuvor zum Schutz der Mittelmeermetropole aufgebaut worden. Gleichzeitig zog Israel weitere Truppen zusammen. Bis zu 75 000 Reservisten müssen mit einer Einberufung rechnen.

Nach Angaben von Augenzeugen flohen im Gazastreifen Tausende Menschen aus Furcht vor einer israelischen Bodenoffensive aus ihren Häusern und suchten weiter im Zentrum Zuflucht. Am frühen Morgen hatten israelische Kampfjets die Hamas-Regierungszentrale und andere wichtige Verwaltungsgebäude in Gaza-Stadt zerbombt. Wieder gab es Tote und Verletzte. Die Zahl der Todesopfer auf palästinensischer Seite stieg auf 40, darunter mindestens 14 Zivilisten.

Die Hamas feuerte bis zum Nachmittag 76 Raketen Richtung Israel ab. Zuvor hatte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri in einer Mitteilung mit Vergeltung gedroht: «Wir schwören Rache für Tod und Schrecken, die die Besatzer über unsere Menschen bringen.» Israel werde einen hohen Preis für seine Verbrechen zu zahlen haben.

Israel bombardiert seit Mittwoch pausenlos Ziele im Gazastreifen und vertraut dabei auf den engen Verbündeten USA. «Die USA haben uns volle Rückendeckung dafür gegeben, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um unsere Staatsbürger vor dem Terror der Hamas zu schützen», sagte Israels Botschafter in Washington, Michael Oren, in amerikanischen Medien. In Israel starben bislang drei Menschen, 24 wurden verletzt. Im Gaza-Streifen sollen weit mehr als 300 Menschen verletzt worden sein.

Die neue Raketenabwehr bei Tel Aviv gehört nach Armeeangaben zum Typ «Iron Dome» (Eisenkuppel) und schützt vor Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite bis 70 Kilometer. Das System habe eigentlich erst im Januar aufgebaut werden sollen. Angesichts mehrerer palästinensischer Raketenangriffe sei der Termin aber vorgezogen worden. Vier Systeme sind bereits um den Gazastreifen herum stationiert.

Angesichts der Zuspitzung des Konflikts schaltete sich am Samstag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. In einem Telefon mit Israels Premier Benjamin Netanjahu betonte die Kanzlerin das Recht Israels auf Selbstverteidigung und die Pflicht zum Schutz der israelischen Bevölkerung, wie der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter mitteilte. «Sie war sich mit dem Premierminister einig, dass schnellstmöglich ein vollständiger Waffenstillstand erreicht werden müsse, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden», hieß es weiter.

Merkel (CDU) telefonierte auch mit dem ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi. Ihn ermunterte sie den Angaben zufolge, «seine wichtige Vermittlerrolle weiter auszuüben und die palästinensischen Gruppen zu einer umgehenden Einstellung der Angriffe auf Israel zu bewegen». Am Samstag hatte Mursi zudem in Kairo in getrennten Gesprächen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem Emir von Katar Möglichkeiten zur Beendigung des Konflikts erörtert. Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt.

Tunesiens Außenminister Rafik Abdel Salam stattete Gaza einen Solidaritätsbesuch ab und forderte einen sofortigen Stopp der israelischen Angriffe. «Was sich hier im Gazastreifen abspielt, ist nicht hinnehmbar, ungerechtfertigt und eine Verletzung des internationalen Rechts», sagte er. Bereits am Freitag hatte Ägyptens Ministerpräsident Hischam Kandil mit einem Kurzbesuch Unterstützung für die Palästinenser demonstriert.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief alle Seiten zu «Besonnenheit und Mäßigung» auf. In einem Telefonat mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil El-Arabi, nannte der FDP-Politiker die Eskalation der Gewalt in Nahost äußerst besorgniserregend und eine zusätzliche Gefahr für die Stabilität der gesamten Region.

Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, sieht die Hauptverantwortung für die Gewalt nicht bei der Hamas. Verantwortlich seien die «extremistischen fundamentalistischen Gruppierungen», die sich einen Machtkampf im Gazastreifen lieferten, sagte der Präsident der israelischen Gesellschaft für Außenpolitik am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Die Hamas und Ägypten hätten kein Interesse an einem Krieg. Auch Israels Bevölkerung habe Angst vor Raketenbeschuss. (dpa)