Gaza/Tel Aviv. Die Furcht vor einem neuen Nahost-Krieg wächst. Erstmals seit dem Golfkrieg 1991, als der Irak Scud-Raketen auf Israel abschoss, heulten am Donnerstag die Luftalarm-Sirenen in Tel Aviv. Zugleich war eine dumpfe laute Explosion zu hören.

Nach Medienberichten ging eine Gaza-Rakete im Mittelmeer nieder. Nach den Raketenangriffen verstärkte die israelische Luftwaffe ihre Bombardements im Gazastreifen. Binnen einer Stunde seien rund 70 Raketenabschussrampen bombardiert worden, teilte das israelische Militär mit. Radikale Palästinenser feuerten weiterhin sporadisch Raketen Richtung Israel ab. Die Zahl der Toten im Gazastreifen stieg auf 16. Ein Baby sei im Krankenhaus an seinen Verletzungen gestorben, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza-Stadt mit.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas brach seine Europareise ab und kehrte ins Westjordanland zurück. Die Vereinten Nationen und viele Regierungen weltweit warnten vor einer Verschärfung der Lage.

Israel begann mit der Mobilisierung seiner Reservisten, laut Militär könnten bis zu 30 000 Mann einberufen werden. Berichte über eine angeblich schon begonnene Bodenoffensive im Gazastreifen wurden aber von den Streitkräften und dem Außenministerium dementiert. Auch in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer war von einem Eindringen israelischer Truppen nichts bekannt. Allerdings würden Soldaten in die Region verlegt, um für einen Einmarsch bereit zu stehen, sollte der Befehl kommen, sagte ein ranghoher Beamter in Tel Aviv.

Etwa eine halbe Stunde vor dem Luftalarm hatte die israelische Armee den Einschlag einer Gaza-Rakete nur wenige Kilometer südlich von Tel Aviv auf freiem Feld bei Rischon Lezion bestätigt. Südliche Vorstädte wie Holon liegen nur etwa drei Kilometer entfernt. Die israelischen Streitkräfte dementierten am Abend jedoch Berichte über den Einschlag einer Gaza-Rakete im Großraum Tel Aviv.

Im Gazastreifen bekannten sich der bewaffnete Arm der dort herrschenden radikal-islamischen Hamas, die Kassam-Brigaden, und die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad zum Raketenangriff auf Tel Aviv. Zwei Raketen vom iranischen Typ Fadschr-5 seien bei Rischon Lezion und in Jaffa eingeschlagen, hieß es in einer Mitteilung der Organisation, deren Kommandeur am Vortag von Israel getötet worden war.

In Tel Aviv brach zeitweise das Telefonnetz zusammen. Im Fernsehen war zu sehen, wie der Verkehr teilweise zum Stillstand kam und Menschen sich schutzsuchend flach auf den Boden legten. «Die Hamas hat den Gazastreifen in einen Vorposten des Irans verwandelt», hieß es auf der Webseite der Streitkräfte.

Nach neuen Angaben der israelischen Streitkräfte wurden seit Beginn der Offensive «Säule der Verteidigung» am Vortag 320 Ziele im Gazastreifen angegriffen. 16 Menschen starben, mehr als 150 wurden verletzt. Im gleichen Zeitraum seien aus dem Gazastreifen 306 Raketen auf Israel abgefeuert worden. Dabei starben dort drei Menschen und mindestens zwölf wurden verletzt.

Einen Tag nach der gezielten Tötung des Hamas-Militärchefs durch Israel versammelten sich in Gaza Tausende Palästinenser, um Ahmed al-Dschabari das letzte Geleit zu geben. Der militärische Arm der Hamas im Gazastreifen bezeichnete dessen Tötung durch die israelische Luftwaffe als «Kriegserklärung» und kündigte blutige Rache an.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sehr besorgt. Er verurteilte die palästinensischen Raketenangriffe und forderte Israel zur Zurückhaltung auf. Der UN-Sicherheitsrat hatte zuvor vor «möglicherweise katastrophalen Folgen» einer Eskalation gewarnt.

Die USA hoffen zur Entschärfung des Konflikts auf die ägyptische Regierung. «Wir bitten Ägypten, seinen Einfluss in der Region für eine Deeskalierung zu nutzen», sagte der amerikanische Außenamtssprecher Mark Toner in Washington. Er bekräftigte die US-Position, dass die im Gazastreifen herrschende Hamas die Raketenangriffe auf Israel einstellen müsse.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte sich in einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Avigdor Lieberman besorgt über die Lage. Zugleich betonte auch Westerwelle das israelische Recht auf Selbstverteidigung und den Schutz seiner Bürger.

Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi bat seinen Regierungschef Hischam Kandil, an diesem Freitag zu einem Solidaritätsbesuch in den Gazastreifen zu fahren. Am Mittwoch hatte Mursi seinen Botschafter aus Israel abgezogen.

Die neue Runde der Gewalt hatte am Samstag begonnen, als ein israelischer Jeep von einer Rakete aus dem Gazastreifen getroffen wurde. Dabei waren vier Soldaten zum Teil schwer verletzt worden. (dpa)

Webseite der israelischen Armee

Jerusalem Post

Haaretz

Bericht des israelischen Rundfunks