Berlin. Die freundliche Portugiesin versucht unermüdlich, die deutsche Delegation von den deprimierenden Eindrücken abzulenken.

«Petrus ist auf Merkels Seite!», ruft die Botschaftsmitarbeiterin beschwörend, als wäre das ein gutes Omen für die in Portugal so umstrittene Euro-Politik der Kanzlerin. Helena Esteves zeigt in den strahlendblauen Himmel und betont, am Sonntag habe es in Lissabon noch geregnet - zum Besuch von Angela Merkel scheine aber die Sonne.

Doch die Straßen dieser schönen Stadt am Tejo, die Merkel mit ihrer hoch gesicherten Kolonne passiert, wirken am Montag wie leer gefegt. Statt lebendigem Treiben sieht man Polizisten, Hubschrauber, Patrouillenboote. Demonstranten verschaffen sich mit Megafonen Gehör und brüllen «Merkel raus!» Aus Fenstern wehen schwarze Trauerflaggen und auf einem Plakat steht «Hitler go home».

Merkel sagt dazu kühl: «Mich stört das nicht besonders.» Demonstrationen gehörten zur Demokratie. Sie zeigten, was in dem Land los sei. «Das nehme ich zur Kenntnis.» In Portugal ist es Merkels erster offizieller Besuch als Kanzlerin und nicht nur Intellektuelle haben sie zur «unerwünschten Person» erklärt. Bei ihrem Besuch im Oktober in Griechenland war das ähnlich. Ein solches Maß an Ablehnung eines Regierungschefs im Ausland hat Deutschland lange nicht erlebt.

Merkel ist in einer schwierigen Lage, denn einerseits fordern EU-Partner wie Portugal, Deutschland solle seine Führungsrolle zusammen mit Frankreich stärker ausfüllen. Für Merkel bedeutet das, die Schwächen der Finanz- und Konsolidierungspolitik in den einzelnen Staaten zu benennen und ihnen einen harten Sparkurs abzuverlangen.

Doch damit zieht sie Kritik, längst sogar Anfeindungen vieler Bürger der betroffenen Länder auf sich. Sie machen Merkel für einschneidende Reformen verantwortlich. Portugals Ministerpräsident Pedro Passos Coelho betont nach einem Gespräch mit Merkel aber: «Ich glaube nicht, dass so die Mehrheit denkt.» Merkel sagt, die Auflagen, das Programm für Portugal, habe die Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU gemacht. «Nicht Deutschland. Das gerät manchmal in Vergessenheit.»

Passos beschwört die eigene Nation, dass die scharfen Reformen der einzig richtige Weg zurück in die internationale Wettbewerbsfähigkeit sei. Das gelinge nicht mit dem Verhalten der Vergangenheit - mit immer mehr Staatsschulden. «Niemand hat versprochen, dass es einfach werden wird.» Den Protest gegen Merkel versucht er herunterzuspielen. «Die Bundeskanzlerin ist es durchaus gewohnt, mit solchen Dingen umzugehen.» Die Pressekonferenz hat er an den Sitz des Verteidigungsministeriums verlegt - eine Festung an der Tejo-Mündung.

Die Mitte-Rechts-Regierung von Passos wird nicht nur mit zunehmendem Widerstand von Gewerkschaften, Opposition, Kirche und Bürgerinitiativen konfrontiert. Immer mehr liberale, regierungsnahe Wirtschaftsexperten, Unternehmer und Politiker äußern Zukunftsängste. Der angesehene Ökonom João Duque meint, das ärmste Land Westeuropas werde ungeachtet der anderslautenden Beteuerungen Lissabons kaum umhinkommen, trotz der 78-Milliarden-Euro-Hilfe von 2011 ein zweites Hilfspaket zu beantragen. «Entweder man (Europa) hilft uns, das Land wieder in die Eurozone zu integrieren (...) oder es ist aus.»

Wasser auf die Mühlen der Kritiker sind die Hiobsbotschaften der Wirtschaft, die dieses Jahr um mindestens drei Prozent schrumpfen wird. Die Armut nimmt zu, der Konsum geht rapide zurück, die Arbeitslosigkeit erreicht mit knapp 16 Prozent ein Rekordniveau.

Merkel sagt dann solche Sätze wie: «Ich weiß, dass das Anpassungsprogramm sehr spürbar ist für die Menschen hier im Land.» Das ist ihre manchmal als kalt empfundene Art. Etwas emotionaler erklärt sie später: «Ich weiß, dass es für die Menschen eine zum Teil sehr harte Zeit ist.»

Dann aber zeigt sie offen Begeisterung für Portugal, wo der soziale Frieden brüchig wird, und macht den Portugiesen Mut. «Als Seefahrernation hat Portugal immer den Blick in die weite Welt gehabt.» Sie hätten die Welt erobert, und heute müsse Europa der Welt seine Wettbewerbsfähigkeit beweisen. Es gehe um die Zukunft der Kinder und Enkel, die nicht mit Schulden verbaut werden dürfe. Und ganz privat kündigt sie an, wenn sie einmal nicht mehr Kanzlerin sei, wolle sie an den wunderschönen Küsten Portugals Urlaub machen.

Sie betont, Deutschland sei solidarisch, dürfe aber nicht an eigener Stärke verlieren. Dann könne es nicht mehr helfen. «Dann wären wir alle abgehängt.» Ihre Botschaft lautet: nicht zweifeln. «Wenn man den ganzen Tag nur daran zweifelt, was man gestern gemacht hat (...), wenn wir zweifelnd durch die Welt laufen, wird das alles nichts. Wir müssen deutlich machen: Wir glauben daran, was wir tun.» (dpa)

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