Berlin. Um kurz nach elf Uhr war es endlich geschafft. Sitzungsleiter Hermann Otto Solms gab das Ergebnis der Abstimmung zum Betreuungsgeld bekannt, während schon über den nächsten Punkt im Bundestag debattiert wurde.

Die Erleichterung bei den Koalitionären war spürbar. Eine Riesenblamage wie vor fünf Monaten, als die erste Lesung mangels Präsenz in den eigenen Reihen abgebrochen werden musste, wiederholte sich nicht. Die Zahl der Abweichler hielt sich zumindest in erträglichen Grenzen.

Doch richtige Jubelstimmung wollte nach der stellenweise hitzig ausgetragenen Debatte auch nicht aufkommen. Nur die CSU gab sich rundum zufrieden. «Hartnäckigkeit zahlt sich aus», brachte die Familienpolitikerin Dorothee Bär ihre Gefühlslage auf den Punkt.

Anderen im Regierungslager war dagegen anzumerken, dass sie mit dem Vorhaben weiter hadern und nur aus Koalitionsräson zähneknirschend zustimmten. Noch während der Aussprache wurde Cornelia Pieper in den FDP-Reihen von prominenten Parteifreunden bearbeitet, auf ihr angekündigtes Nein zu verzichten. Doch die Staatsministerin im Auswärtigen Amt blieb standhaft.

Auffällig war, dass Schwarz-Gelb nur die zweite oder dritte Reihe ans Podium schickte, um sich für die Gratifikation in die Bresche zu werfen. Die zuständige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) blieb schweigend auf ihrem Platz auf der Regierungsbank. Auch die Fraktionschefs von Union und FDP, Volker Kauder und Rainer Brüderle, zog es nicht ans Rednerpult.

Dafür schickte die Opposition die erste Garde ins Rennen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ließ Peer Steinbrück den Vortritt. Ein Grund war, dass der designierte Kanzlerkandidat gerade im Lager der weiblichen Wähler die meisten Defizite hat. Um bei diesem Publikum zu punkten, sollte Steinbrück beim Thema Kinderbetreuung Position beziehen.

Die Sozialdemokraten wollten aber auch zeigen, dass sie ihren Spitzenmann nach der quälenden Debatte um seine Vortragshonorare nicht verstecken wollen. Steinbrück stand bei seinem Auftritt spürbar unter Druck, die eigenen Leute wieder von seinen politischen Qualitäten zu überzeugen.

Gemessen am SPD-Beifall gelang ihm das mit einer kämpferischen Vorstellung. «Dieses Betreuungsgeld ist eine grundfalsche Weichenstellung. Es ist Schwachsinn», attackierte er. Das Gesetz werde mit einem «Höchstmaß an Selbstverleugnung» vor allem bei der FDP durchgedrückt. Nur weil es «eine regionale Partei aus Bayern als ihr Hobby ansieht», stichelte Steinbrück.

Die ganze «Herdprämie» sei ohnehin rückwärtsgewandt. Sie entspreche einem Gesellschaftsbild, «das eher in die Biedermeieridylle passt als ins 21. Jahrhundert», rief er unter Applaus der eigenen Abgeordneten. Mit einer SPD-geführten Bundesregierung werde die Reglung «das Gesetz mit der kürzesten Halbwertszeit in der Geschichte der Bundesrepublik sein», versprach der SPD-Herausforderer.

Doch Steinbrück kam auch in Verlegenheit: Genüsslich erinnerten Koalitionsredner die SPD daran, dass die Leistung für sie nicht immer Teufelszeug gewesen sei. Schließlich hätten sie in der großen Koalition mit der Union dafür zumindest grünes Licht gegeben. Nichts als «Doppelzüngigkeit und Heuchelei» sei es deshalb, was die «rote Betreuungsgeld-Troika» von damals jetzt mache, empörte sich der FDP-Abgeordnete Patrick Meinhardt.

Von solchen Verdächtigungen unbelastet knöpfte sich Jürgen Trittin das schwarz-gelbe Projekt vor. «Sie schmeißen das Geld aus dem Fenster», sagte der Grünen-Fraktionschef. Er sah sogar Parallelen zwischen der US-Wahl und der bayerischen Landtagswahl im nächsten Herbst: «Für diesen teuren Irrweg sollen wir zahlen, nur damit Bayern nicht zum Swing-State wird.» (dpa)