Chicago. Keine Menschenschlangen vor den Wahllokalen, keine vor Begeisterung glühenden Gesichter, keine «Change»-Buttons. In Barack Obamas Heimatstadt Chicago erinnert am Dienstag bei Öffnung der Wahllokale nur noch wenig an die Bilder der historischen Wahl vier Jahre zuvor.

Dennoch lassen sich auch 2012 in Obamas alter Nachbarschaft Enthusiasmus und viel Engagement finden. «Ich bin dieses Mal noch engagierter», erklärt Mai Wilson, eine Verwaltungsangestellte, verantwortlich für ein Infrastrukturprogramm rund um den Hyde Park. «Obama hat zu viel umsetzen müssen, das war einfach nicht möglich», sagt die 64-Jährige nach der Stimmabgabe im Süden der Stadt. Seit rund 20 Jahren wohne sie in dem Bezirk und sei früher auch immer mal wieder dem Präsidenten begegnet. «Wir sind stolz auf ihn, er ist ein Bürger unserer Nachbarschaft.»

Bis zur letzten Minute versuchen Helfer beider Lager, ihre Anhänger zur Stimmabgabe zu bewegen. Im Stadtzentrum sind gut 130 Freiwillige in der Zentrale von «Obama for America» dabei, für den Kandidaten bis zum letzten Moment das Beste herauszuholen.

Zu ihnen gehört auch Osia Smith. Der Einstieg der farbigen Mittfünfzigerin war eher ungewöhnlich, denn sie kam erst im aktuellen Wahlkampf zu den Demokraten. «Ich habe jetzt angefangen, weil ich dachte, dass sie ihm Unrecht getan haben», sagt Smith. Nun hofft sie, dass der Präsident bei einem Wahlsieg außenpolitisch vorangeht. «Ich möchte, dass er den Krieg in Afghanistan beendet.»

Im Vergleich zu Smith ist Debbie Mesloh eine echte Veteranin Wahlkampfteam. Die 43-Jährige stieß im August 2007 dazu, kurz nachdem Obama bekanntgegeben hatte, 2008 anzutreten. Bisher habe er ihre Erwartungen voll erfüllt, sagt sie. «Ich unterstütze sehr stark seine Gesundheitsreform.» Von einer zweiten Amtszeit verspricht sie sich vor allem mehr Klimaschutz. Und von schwindendem Enthusiasmus für den Amtsinhaber will sie nichts wissen. «Die meisten kennen ihn und seine Arbeit sehr gut, er ist hier ein echter Held.»

Das sieht Marissa Hart anders. «Ich habe die Hoffnung auf die Politik komplett aufgegeben», sagt die Nachwuchskünstlerin, die nicht wählen wollte. «Ich konzentriere mich jetzt auf andere Dinge, in meinem Bekanntenkreis machen das viele so.» Die Chicagoerin stand nach eigenen Angaben nach dem Kunststudium vor einem 30 000-Dollar-Schuldenberg. «Ich fühle mich überhaupt nicht so, als ob sich um irgendjemanden besser gekümmert wird.» Daran habe auch Obama nichts geändert. «Am Ende bleibt Amerika immer der Wilde Westen.»

Ganz so negativ möchte Tarri Breeden das nicht sehen. Sie verkauft Mode im Alternativviertel Wicker Park und macht einen simplen Grund aus, Obama zu wählen: «Die Alternative Romney ist einfach furchtbar.» Allerdings räumt auch die Frau mit dem großen «Geht wählen»-Schild vor ihrem Modeladen «Niche» ein, dass sich die politische Stimmung verändert habe und viele Diskussionen nun extremer seien. Bei Treffen mit der Familie vermeide sie inzwischen politische Debatten. «Meine Tante und mein Cousin sind "Birthers", sie glauben nicht an Obamas amerikanische Abstammung», erklärt sie.

Dass auch das Vertrauen der demokratischen Führungsriege in die Begeisterungsfähigkeit der eigenen Anhänger geschwunden war, zeigte die Entscheidung für den Ort der Wahlparty. Sie ließen den 18 000 Personen fassenden McCormick Place dekorieren, ein Veranstaltungs- und Kongresszentrum nördlich der Innenstadt. Kein Vergleich zum Grant Park: Von dort waren 2008 Bilder von mehr als 250 000 feiernden Fans um die Welt gegangen. (dpa)

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Election Briefing, 148 Seiten, NBC News

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