Peine. Die Volksinitiative „Stoppt Gendern in Niedersachsen“ wirbt auch in Peine. Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises kontert.

Die geschlechtergerechte Sprache, das Gendern – die Meinungen darüber gehen weit auseinander. In Niedersachsen wurde die Volksinitiative „Stoppt Gendern in Niedersachsen“ gestartet, die auch aus dem Kreis Peine Unterstützung erfährt, von Wolfgang Gemba, früherer Kreisbaurat, jetzt Kommunalpolitiker (Freie Wähler) in Edemissen. Er betont: „Ich agiere im Kontext der Volksinitiative gegen Gendern in Niedersachsen als gesetzlicher Vertreter der Volksinitiative und nicht als Parteimitglied der Freien Wähler.“ Die Initiative plant eine Informationsveranstaltung am Dienstag, 23. April in Stederdorf.

Sie beginnt um 17.30 Uhr im Gasthaus zur Sonne, Edemissener Straße 6. Referenten sind Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache, Achim Sohns, Autor und Mitinitiator der Volksinitiative gegen das Gendern in Niedersachsen, die Moderation übernimmt Wolfgang Gemba. Um Anmeldung wird gebeten: kontakt@stoppt-gendern-in-niedersachsen.de oder per Kurznachricht/telefonisch unter 0163 400 76 51.

Was spricht für, was gegen das Gendern. Lesen Sie hier die Argumente des Gegners Gemba und der Befürworterin Silke Tödter, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Peine.

Die Argumente der Volksinitiative

„Meine Ablehnung der ‚Gendersprache‘ basiert auf mehreren Argumenten: Diskriminierung, Integrationsfeindlichkeit und Vorurteile. Die Standardsprache im deutschsprachigen Raum verwendet dagegen nicht diskriminierende, verallgemeinernde Begriffe, bei denen spezifische Merkmale wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, Hautfarbe, Glaubensbekenntnisse und Ideologien keine Bedeutung haben.“

Daher sei es unangebracht, grammatische Formen wie das generische Maskulinum zu verbieten. „Gendersprache wird von einer Minderheit in der Sprachgemeinschaft verwendet, die vorgibt, die Mehrheit zu repräsentieren. Tatsächlich versucht diese Minderheit, bisweilen öffentlich bezahlt, der Mehrheit ihre Privatsprache aufzuzwingen, indem sie zum Beispiel von Bürger/innen, BürgerInnen, Bürger_innen, Bürgenden, Bürger*innen, Bürger:innen spricht“, so Gemba. Es gebe jedoch eine überwältigende Mehrheit in der Gesellschaft, die die Gendersprache nachweislich ablehne, „und zwar über Generationen und Geschlechter hinweg in allen Bevölkerungsschichten“.

„Gendersprache reduziert Menschen auf ihr Geschlecht“

Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des RTL/ntv-Trendbarometers vom Juli 2023 zeige, dass fast dreiviertel der Deutschen das Gendern ablehnen. „Gendersprache reduziert Menschen auf ihr Geschlecht und gruppiert sie nach verschiedenen Merkmalen, anstatt sie als vollständige Persönlichkeiten zu sehen. Daher ist die Gendersprache tendenziell sexistisch. Sie verstößt dadurch gegen die verfassungsmäßig geschützte Würde des Menschen und könnte daher sogar verfassungswidrig sein“, erklärt Gemba weiter. „Der Rat für deutsche Rechtschreibung hatte im Dezember 2023 erneut von der Verwendung von Sonderzeichen abgeraten. Etliche Künstler wenden sich zunehmend öffentlich gegen das Gendern.“

Meine Ablehnung der „Gendersprache“ basiert auf mehreren Argumenten: Diskriminierung, Integrationsfeindlichkeit und Vorurteile.
Wolfgang Gemba - Gesetzlicher Vertreter der Volksinitiative

Gendern – „Eingriff in gewachsene Sprachstrukturen“

Beeindruckt habe ihn, dass der Schauspieler und Theatermacher Dieter Hallervorden das Gendern als einen „künstlichen, politisch motivierten Eingriff in gewachsene Sprachstrukturen“ bezeichne. Für ihn sei Gendern eine „Vergewaltigung der deutschen Sprache“ und ein „betreutes Sprechen“. Hallervordern betone, dass Sprache als Kulturgut allen gehört und sich aus sich selbst heraus entwickelt, nicht auf Anordnung von oben. „Er sieht keinerlei wissenschaftliche Belege dafür, dass sich durch eine Veränderung der Grammatik gesellschaftlicher Wandel erzielen lässt. Er hat es auf den Punkt gebracht“, sagt Gemba.

Weiter zitiert er den Sänger Heinz-Rudolf Kunze. „Er hofft, dass diese neumodische Art zu sprechen bald vergeht.“ Sobald er gegenderte Sprache höre oder lese, werde ihm körperlich übel. „Wenn jemand im Gespräch mit mir anfängt, zu gendern, beende ich alsbald das Gespräch. Sender, Zeitschriften oder Organisation, bei denen Sprecherinnen und Sprecher gendern, meide ich nach Möglichkeit“, zitiert Gemba Kunze weiter. Und: „Ich möchte, dass die Menschen frei sprechen können, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Wer Gendern will, soll es machen, mich aber damit nicht belästigen.“

Die Argumente der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Peine

Silke Tödter, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Peine, geht zunächst der Frage nach, was „Gendern“ eigentlich bedeutet. In der Öffentlichkeit werde das Wort „Gendern“ häufig genutzt mit der Absicht, der Gleichstellung unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten auch in der Sprache gerecht zu werden und nicht nur die biologischen Merkmale zu berücksichtigen. Das werde zum Beispiel durch das sogenannte Gendersternchen deutlich gemacht, welches unterschiedliche Geschlechtsidentitäten berücksichtige.

„Doch Gender Mainstreaming ist viel mehr und in seinem Ursprung völlig anders definiert“, sagt Silke Tödter und erklärt: „Nachdem sich auf europäischer Ebene bereits 1993 eine Zielvorgabe zur ‚Chancengleichheit für Frauen und Männer‘ durchsetzen konnte, ergab sich mit der Einführung des ‚Gender Mainstreaming‘ die Übertragung der Geschlechterfrage auf die gesamte europäische Politik. Die Gleichstellungsbeauftragte erinnert an den Amsterdamer Vertrag, in dem 1996 „Gender Mainstreaming“ erstmals rechtlich verankert wurden. Ziel der europaweiten politischen Querschnittsaufgabe: bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vorneherein und regelmäßig zu berücksichtigen. Der internationale Begriff „Gender Mainstreaming“ wurde zur europaweiten Strategie für die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern.

„Gender“ bezeichnet die gesellschaftlich sozial und kulturell geprägten Geschlechterrollen

„Gender“ kommt aus dem englischen und bezeichnet die gesellschaftlich sozial und kulturell geprägten, häufig tradierten Geschlechterrollen von Frauen und Männern, so Silke Tödter weiter. „Diese sind – anders als das biologische Geschlecht – erlernt und damit auch veränderbar. Das bedeutet für Frauen, auch in der heutigen Gesellschaft, Corona hat es wieder in den Blickpunkt gerückt: überwiegende Zuständigkeit für Haushalt, Kinderbetreuung, Schularbeitshilfe und Pflege von Angehörigen.“

Frauen seien dadurch in Teilzeitjobs gefangen, häufig ohne Karrierechancen und mit der Aussicht auf Altersarmut. „Mit der Strategie Gender-Mainstreaming sollen die unterschiedlichen Betroffenheiten von Frauen und Männern in ihren zugeschriebenen Geschlechterrollen bei jeder politischen Entscheidung berücksichtigt werden. Gleichzeitig soll an der Veränderung der sozialen Rollen von Frauen und Männern gearbeitet werden, damit die Gleichstellung von Frauen und Männern gemäß Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes Wirklichkeit werden kann.“

Um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu realisieren, ist es notwendig, auch die sprachlichen Benachteiligungen abzubauen, die Frauen täglich widerfahren.
Silke Tödter - Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Peine

Silke Tödter: Sprachliche Benachteiligungen müssen abgebaut werden

Um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu realisieren, sei es notwendig, auch die sprachlichen Benachteiligungen abzubauen, die Frauen täglich widerfahren. „Häufig begegnen Frauen einer sprachlichen Nichtbeachtung – auch wenn sie in der Überzahl sind, zum Beispiel, wenn nur Erzieherinnen auf einem Foto zu sehen sind, aber im Text von Erziehern gesprochen wird. Frauen werden sprachlich immer noch häufig übersehen.“ Irritierend sei, dass „Gender“ inzwischen alles Mögliche bedeutet, „zum Beispiel, dass jede Person eine Genderidentität besitzt, die vom biologischen Geschlecht abweichen kann und wichtiger als diese ist.“

Gleichstellungsbeauftragte: Landkreis Peine nutzt eine gendergerechte Sprache

Das Thema „(Trans)gender“ irritiere, erklärt Silke Tödter. „Denn der gravierende Unterschied zwischen Frauendiskriminierung (zirka 50 Prozent der Gesellschaft: Diskriminierung durch die Zuweisung des sozialen Geschlechts) und Minderheitendiskriminierung (maximal fünf Prozent der Gesellschaft) wird häufig nicht anerkannt. Eine Pflicht, zu ‚gendern‘, gebe es nicht, sagt die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman.“

Informationsabend

Zur „Volksinitiative gegen das Gendern in Niedersachsen“ findet am Dienstag, 23. April, im Gasthaus „Zur Sonne“, Edemissener Straße 6 in Stederdorf, ein Informationsabend statt. Als Referenten erwarten die Veranstalter Professor Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache, und den Hannoverschen Philosophen und Mitinitiator der Volksinitiative, Dr. Achim Sohns.

Anmeldungen werden bis zum 20. April per E-Mail, SMS oder telefonisch unter (0163) 400 76 51 entgegengenommen. Ihre Unterschrift kann jetzt schon geleistet werden.

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite: https://www.stoppt-gendern-in-niedersachsen.de.

Der Landkreis Peine nutze eine gendergerechte Sprache und orientiere sich dabei am in Niedersachsen geltenden Recht: dem Niedersächsischen Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache vom 27. Februar 1989 und dem Beschluss über Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache (Justizministerium vom 8. August 1999). „Danach werden die weibliche und die männliche Form oder auch die neutrale Sprachform verwendet.“

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