Berlin. Fast hatte man die Ermittler aus dem „Polizeiruf 110“ aus Halle vergessen. Nun melden sie sich mit einer bedrückenden Folge zurück.

  • Am Sonntag flimmern die Ermittler aus dem „Polizeiruf 110“ aus Halle wieder über die Bildschirme
  • Die Thematik könnte allerdings nicht erster sein
  • „Polizeiruf 110: Der Dicke liebt“ läuft am 21. April, 20.15 Uhr in der ARD

Man hat sie ja schon fast vergessen. Vor knapp drei Jahren, Ende Mai 2021, bildeten Peter Kurth und Peter Schneider das erste Ermittler-Duo, das im „Polizeiruf 110“ in Halle an der Saale agiert. Das war Hommage und Neubeginn zugleich, weil damit das 50-jährige Bestehen der Krimireihe gefeiert wurde.

Hinzu kommt, dass sowohl Regisseur Thomas Stuber und sein Dauer-Co-Autor Clemens Mayer für Stoffe bekannt sind, die vor allem von den Abgehängten und Vergessenen im Osten des Landes erzählen. Dazu zählen Filme wie „In den Gängen“ oder „Die stillen Trabanten“, in denen auch immer Peter Kurth mit dabei ist.

Polizeiruf Halle: Ernste Stimmung statt humorvollem Miteinander

Ein Erfolgstrio also. Und der erste Fall „An der Saale hellem Strande“ war auch ein sehr ungewöhnlicher Fall, der das Genre sehr weit ausdehnte und weit übers Krimi-Mittelmaß herausragte. Aber dann: erst mal Sendepause. Trotz 7,82 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von satten 25,9 Prozent. Schon glaubte man, Halle sei eine Eintagsfliege.

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Aber nun gibt es einen zweiten Fall für die Kommissare Koitzsch (Kurth) und Lehmann (Schneider). Der aber ist von der Tonalität radikal. Nicht mehr schwarzhumorig bis burlesk, sondern todernst und tieftraurig. Denn da verschwindet ein achtjähriges Mädchen, Inka. Tage später wird sie tot in einer verlassenen Kleingartenkolonie gefunden.

Erschreckende Selbstjustiz: Der verdächtige Mathematiklehrer Krein (Sascha Nathan) wird zum Freiwild.
Erschreckende Selbstjustiz: Der verdächtige Mathematiklehrer Krein (Sascha Nathan) wird zum Freiwild. © MDR/filmpool fiction/Felix Abrah | Ard

Kommissare ermitteln in schrecklicher Umgebung

Kommissar Koitzsch hatte schon im ersten Fall ein Alkoholproblem, das wird nicht besser angesichts des schrecklichen Falls. Er versucht aber, den Kollegen Lehmann, der vierfacher Vater ist, zu schützen und aus dem Fall herauszuhalten – damit der nicht so kaputtgeht wie er selbst. Was den indes wütend macht und die Harmonie, die zwischen den beiden beim ersten Fall herrschte, vollkommen zunichtemacht.

Mittlerweile handeln erstaunlich viele Sonntagskrimis von Verbrechen an Kindern. Die gehen einem immer besonders nah, und es scheint, als hielte Stuber hier oft mit der Kamera extra länger drauf, wo der Zuschauer längst wegguckt. Die Kommissare ermitteln zunächst unter Pädokriminellen und im familiären Umfeld des Kindes.

Dabei trifft Koitzsch auch wieder auf Monika Hollig (Susanne Böwe), die im ersten Fall sein Blind Date war und sich nun als Rektorin von Inkas Schule erweist. Früh allerdings weist der Pathologe darauf hin, dass das Opfer von einem massiven Körpergewicht niedergedrückt wurde, worauf viele Hämatome hinweisen.

Schwer erträgliche Szene: Die Eltern erfahren, dass ihre Tochter ermordet wurde.
Schwer erträgliche Szene: Die Eltern erfahren, dass ihre Tochter ermordet wurde. © MDR/filmpool fiction/Felix Abrah | Ard

Deshalb versteht man nicht recht, wieso der stark übergewichtige Mathematiklehrer Herr Krein (Sascha Nathan) nicht früher ins Visier genommen wird. Als Zuschauer freilich weiß man mehr, weil man gleich anfangs sieht, wie der Lehrer sich einem anderen Mädchen annähert und der Verdacht der Übergriffigkeit aufkommt.

Außerdem heißt die Folge „Der Dicke liebt“ und setzt so gleich eine Fährte. Die aber wird nicht von den Kommissaren verfolgt, sondern von einem wütenden Mob auf der Straße, der dem Lehrer auflauert, ihn verprügelt und sich in Lynch-Stimmung steigert.

Der Krimi blickt tief in die Kehrseite der Gesellschaft

„Der Dicke liebt“ war 2014 ein 15-minütiger Kurzfilm des Schauspielers Alexander Khuon, bei dem Clemens Mayer am Drehbuch mitschrieb. Den Plot hat Mayer nun mit Stuber variiert. Dabei geht es nicht nur um die kaltblütige Untat und den Schock, den sie auslöst, sondern auch um die Vorverurteilung eines Verdächtigen. Die findet zunächst durch die Eltern der Kinder, dann auch durch die Direktorin und schließlich durch die Gruppe statt, die das Gesetz selbst in die Hand nehmen will.

Das ist weit mehr als ein typischer Sonntagskrimi, das blickt ganz tief in Befindlichkeiten und die Kehrseite der Gesellschaft. Der Fall ist gelöst, aber eine Erlösung gibt es am Ende nicht.

„Polizeiruf 110: Der Dicke liebt“ läuft am Sonntag, 21. April, 20.15 Uhr in der ARD und ist auch in der Mediathek zu sehen.