Berlin. Forscher finden in einer Grabkammer eine seltene Form eines gefährlichen Tumors – und die Leidensgeschichte einer jungen Ägypterin.

  • In der Stadt Amarna haben Forscher eine unglaubliche Entdeckung gemacht
  • In einer uralten Grabkammer wurde ein Skelett mit einer gefährlichen Geschichte gefunden

Für die Archäologen ist es eigentlich ein Tag wie jeder andere in Ägypten. Sie legen gerade einen Tausende Jahre alten Friedhof in der altägyptischen Stadt Amarna frei, als sie eine unglaubliche Entdeckung machen. In der 3000 Jahre alten Grabkammer am Ende eines Schachtes finden sie das Skelett einer 18- bis 21-jährigen Frau, die in einer Matte aus Pflanzenfasern eingewickelt ist. So weit, so gewöhnlich für Begräbnisse aus dieser Zeit. Doch zwischen ihren Beckenknochen bemerken sie eine traubengroße, knöcherne Masse – aus der zwei Zähne wachsen.

Laut einer nun veröffentlichten Studie handelt es sich dabei um einen Tumor aus den Eierstöcken der Frau, ein sogenanntes Ovarialkarzinom. Dass Tumore auch Auswüchse wie Zähne bilden können, ist in der Medizin ein äußerst seltenes, aber bekanntes Phänomen. Diese Form eines zumeist gutartigen Keimzellen-Tumors bezeichnet die Forschung als Teratom.

Weil Teratome aus Stammzellen bestehen, sind sie in der Lage sich in jede Form menschlichen Gewebes zu entwickeln, darunter Zähne, Haare, Knochen und Muskeln. Laut der Cleveland Clinic werden sie üblicherweise chirurgisch entfernt, sobald sie entdeckt werden.

Tumor mit Zähnen: Archäologen stoßen auf medizinisches Drama von vor 3000 Jahren

Doch vor 3000 Jahren war das wohl nicht möglich. Wie die Autorinnen in der im Fachmagazin „International Journal of Paleopathology“ erschienenen Studie beschreiben, fanden sie unter den Grabbeigaben der Frau auch einen Ring, auf dem die antike Gottheit Bes abgebildet ist. Im alten Ägypten wurde Bes vor allem mit Mutterschaft, Kindern und Geburt in Verbindung gebracht. Zusammen mit dem Tumor lasse der Ring Rückschlüsse auf ein antikes medizinisches Drama zu.

Das Teratom fanden die Archäologen in der Beckengegend der jungen Frau. Diese Form der Tumore bildet sich oft bei Frauen in den Eierstöcken. 
Das Teratom fanden die Archäologen in der Beckengegend der jungen Frau. Diese Form der Tumore bildet sich oft bei Frauen in den Eierstöcken.  © M. Wetzel/Amarna Project | M. Wetzel/Amarna Project

So sei der Bes-Ring ein Hinweis darauf, dass das Teratom ursächlich für den frühzeitigen Tod der Frau gewesen sein könnte. Das „magisch-medizinische“ Objekt war in der linken Hand der Toten platziert, die über den Schoß, genau über den Tumor gelegt wurde. War es ein Versuch, die Göttin Bes zu beschwören, um dem Schmerz in der „gebärenden“ Körperregion zu bekämpfen? Laut der Studie sei das eine mögliche Erklärung.

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Amarna: Herrschersitz des ägyptischen Königs Echnaton

Der in Ägypten gefundene Tumor ist erst der fünfte Tumor dieser besonderen Ausprägung, den Forscher bei einer archäologischen Ausgrabung entdeckt haben. Das Teratom aus der altägyptischen Stadt Amarna ist das bisher älteste Exemplar eines Teratoms.

Amarna ist die um 1348 v. Chr. gegründete ehemalige Hauptstadt des ägyptischen Königreiches unter Echnaton. Der König der 18. Dynastie wendete sich damals vom ägyptischen Hauptgott Amun ab und schwor Ägypten auf den Sonnengott Aton ein. Außerdem verlegte er den Herrschersitz von Theben nach Amarna, das allerdings bereits vier Jahre nach Echnatons Tod wieder aufgegeben wurde. Weil Amarna nur kurz bewohnt und auf einem zuvor unbebauten Gebiet errichtet wurde, konnten es Archäologen gut erforschen.

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