London . Die Potenzpille Viagra ist zur Partydroge geworden. Das illegale Geschäft mit Fälschungen boomt. Das will Großbritannien nun ändern.

Ab Frühjahr nächsten Jahres müssen britische Männer nicht mehr ihren Arzt konsultieren, um an die Potenzpille zu kommen: Dann gibt es Viagra rezeptfrei. Der Schritt soll vor allem dazu führen, den Schwarzmarkt trockenzulegen. Laut Zollfahndern ist das illegale Geschäft mit Potenzpillen international zu einem immer größeren Problem geworden, nachdem Viagra und ähnlich wirkende Medikamente zur Partydroge für junge Männer geworden sind.

Der Nachrichtensender Sky News enthüllte kürzlich in einer Reportage, wie verbreitet der Konsum von Potenzpillen in der Clubbing- und Discoszene geworden ist. „Da kommt meistens ein Typ auf dem Fahrrad vorbei und bietet an: Koks, Ecstasy, Speed, und dann: Viagra. Immer am Ende: Viagra“, so ein Mann.

Potenzpille auch bei jungen Männern immer beliebter

Potenzschwierigkeiten sind vor allem ein Problem für Männer ab 40 Jahren, von denen laut Urologen rund die Hälfte unter „erektiler Dysfunktion“ leiden. Der Grund, warum die kleine blaue Pille auch bei jungen Männern immer beliebter wird, sei laut Experten auch der Leistungsdruck.

Laut Sexualtherapeut Raymond Francis wird „ihre Abhängigkeit von Viagra durch die Fülle an sexuellen Bilderwelten verursacht, die heutzutage so augenblicklich verfügbar ist“. Soll heißen: Jeder kann auf seinen Handys Pornos gucken, Frauen auch, und somit entstehe eine gewisse Erwartungshaltung. Männer sehen sich in der Bringschuld, genauso ausdauernd zu sein wie der ausdauerndste Sex-Akrobat.

Zahl der beschlagnahmten Pillen fast versiebenfacht

Und diese Männer seien anfällig für billige Ware, die sie vor allem aus dem Internet beziehen. Die Polizei spricht von einem Riesengeschäft. Zwischen 2012 und 2016 hat sich die Zahl der beschlagnahmten Potenzpillen fast versiebenfacht. Allein im letzten Jahr wurden nicht zugelassene und gefälschte Mittel im Wert von umgerechnet 19 Millionen Euro sichergestellt.

„Das organisierte Verbrechen ist involviert“, sagt Fahnder Danny Lee-Frost. „Es stellt alles in den Schatten, was wir sonst so beschlagnahmen.“ Rund 90 Prozent aller europaweit sichergestellten illegalen Pharmaka seien Potenzpillen. Meistens sind sie falsch dosiert. Oder sie enthalten giftiges Blei oder Arsen.

Freistellung soll Schwarzmarkt aushebeln

Nun soll die Freistellung von der Rezeptpflicht den Schwarzmarkt aushebeln und Konsumenten vor den gesundheitlichen Gefahren bewahren. Impotenz, meint Mick Foy von der medizinischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel in Großbritannien MHRA, „kann ein sehr belastendes Leiden sein und deswegen ist es wichtig, dass Männer wissen, dass sie schnellen Zugang zu Qualität haben und nicht denken, dass sie sich an Onlinelieferanten wenden müssen.“

Viagra-Hersteller Pfizer wird bis zum nächsten Frühjahr Schulungen für Apotheker durchführen, bevor „Viagra Connect“ in Portionsgrößen von vier oder acht Stück in den Handel kommt. Der Preis von umgerechnet etwa sechs Euro pro Pille liegt dann aber immer noch über dem drei- bis vierfachen, was für Onlinepräparate fällig ist.

In Deutschland ist es kein Thema

Nicht alle Mediziner denken, dass die Freigabe ein kluger Schritt ist. Viagra kann durchaus, argumentierte der Arzt Max Pemberton, ernste Nebenwirkungen haben. Blutdruckveränderungen, Herz-Kreislauf-Schwierigkeiten. Ihn sorgt „die wachsende Auffassung in allen Altersgruppen von Viagra als einer Lifestyle-Droge“, die „nichts ahnend“ eingenommen wird.

Als erstes Land weltweit hatte Neuseeland bereits 2014 die Rezeptpflicht abgeschafft. Auch in Polen gibt es die Freigabe. In Deutschland wird das Thema bislang nicht groß diskutiert. „Ich glaube nicht, dass es in nächster Zeit eine Rolle spielt“, sagt Thomas Preis vom Apothekerverband.