Berlin. Heute können HIV-Patienten so alt werden wie Menschen ohne Infektion. In den 80er Jahren bedeutete die Diagnose oft den schnellen Tod.

Trotz Fortschritten in der Medizin sterben noch immer Hunderte Menschen jedes Jahr in Deutschland und Tausende weltweit an den Folgen von Aids.

Was das bedeutet, weiß Cusch Jung nur allzu gut. Der Theater-Schauspieler, der bereits mit Hildegard Knef zusammengearbeitet hat, hat die Aids-Epidemie in den 80er und 90er Jahren am eigenen Leib zu spüren bekommen. Viele seiner Kollegen, seiner liebsten Freunde hat es plötzlich wie auf einen Schlag dahingerafft. Wir haben mit ihm über die Zeit und das Gefühl, machtlos zu sein, gesprochen.

Wie viele Ihrer Freunde sind an den Folgen von Aids gestorben?

Cusch Jung: Mehr als eine Hand voll. Beinahe zehn. Bei vielen von ihnen haben wir die Wohnung ausgeräumt, versucht das Erbe zu verteilen.

HIV und AIDS kamen plötzlich auf. Wie lief das damals ab?

Jung: Die Leute sind schnell gestorben. Von der Diagnose bis zum Tod war es zum Teil nur ein halbes Jahr. Damals war HIV ein Todesurteil. Viele haben die Nachricht, dass sie sich infiziert haben, bei einer Routineuntersuchung beim Arzt erhalten. Und wenig später waren sie tot.

Cusch Jung
Cusch Jung © Privat | Privat

Ich wäre froh, wenn meine Freunde die Medikamente der heutigen Zeit bekommen hätten. Dann wären sie vielleicht noch unter uns.

Damals war die Zeit noch anders. HIV galt damals fast ausschließlich als Krankheit von Homosexuellen. Wie hat sich diese Stigmatisierung angefühlt?

Jung: Ganz zum Anfang wollten viele Menschen nicht mehr aus dem gleichen Glas trinken oder sich im selben Zimmer mit einem HIV-Infizierten aufhalten. Das war schon sehr übel.

Was haben Sie dagegen gemacht?

Jung: Wir sind locker damit umgegangen, unbefangen, und haben die Freunde eher noch mehr umarmt und auf die Wange geküsst, um zu zeigen: Das ist nicht ansteckend. Zum Glück ist das heute anders.

Wie hat sich Ihre Einstellung zum Leben durch den großen Verlust verändert?

Jung: Ich hab gemerkt, dass mir nichts gehört und dass alles im Leben geliehen ist. Als wir die Wohnungen ausräumten und die Bilder aussortierten habe ich gemerkt, dass plötzlich alles an Wert verliert. Ich habe in dem Moment gelernt, dass alles vergänglich ist und dass man jeden Tag etwas abgewinnen sollte.

Das ist die Lehre gewesen. Dass ich dafür aber so viele Freunde verloren habe, hätte nicht sein müssen. Ich hoffe, dass die künftigen Generationen diesen Ausrottungsprozess nicht mehr erleben müssen.