Die erste eigene Netflix-Produktion aus Deutschland bietet pausenlose Anspannung auf einem hohem Niveau. Eine starke Mysteryserie.
Der Wald, er steht still und schweigt. Aus seiner Mitte ragen die Türme eines Atomkraftwerks. Hier irgendwo muss ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum sein, und darin verschwinden Kinder: So sieht sie aus, die deutsche Netflix-Premiere. Die erste hierzulande produzierte Fernsehserie des US-Streamingdienstes heißt „Dark“, also „dunkel“. Und dunkel ist es immer, zumindest in den drei Folgen, die vorab zu sehen waren. Sagenhaft unheilvolle Klänge untermalen nahezu jede Szene. Die Aufforderung zum Gruseln ist offensichtlich. Und wirkungsvoll.
Seit Tagen ist Erik verschwunden, und die Älteren im Ort ahnen Schlimmes: Das ist ja wie vor 33 Jahren! Seit damals hat niemand den kleinen Mads gesehen. Noch hoffen die Menschen in der Kleinstadt Winden, dass es dafür eine harmlose Erklärung gibt. Bis auch Mikkel (Daan Lennard Liebrenz) spurlos im Wald zurückbleibt. So gerät das Leben von vier miteinander verbundenen Familien aus den Fugen.
Eine heimliche Hauptrolle bekommt der Wald
Der Wald erscheint dabei wie eine eigene Figur. Stolz, düster und mystisch wird er in Szene gesetzt. Kinder laufen verloren durchs Bild, als wären wir bei Hänsel und Gretel. Ein sehr deutsches Bild. Aber eines, das weltweit verstanden wird – wichtig für den Netflix-Markt: Die Serie wird gleichzeitig in 190 Ländern angeboten.
Das ist die Netflix-Serie „Dark“
Den Machern von „Dark“, Baran bo Odar und Jantje Friese, beide Absolventen der Hochschule für Fernsehen und Film in München, gelang 2014 der Durchbruch mit dem Hackerthriller „Who am I – Kein System ist sicher“. Er war ihre Eintrittskarte in das internationale Filmgeschäft. Und dort zeigen sie jetzt, dass sie erzählen können. Während in Deutschland diskutiert wird, wie experimentell ein „Tatort“ sein darf, setzen die Filmemacher in „Dark“ einfach ihre Fantasien um. Dazu gehört die Möglichkeit von Zeitreisen – und die führt zu einem Erwachen in den 80er-Jahren, inklusive Nena, Schulterpolstern, Walkman und Tschernobyl.
Drei Generationen sehr guter deutscher Schauspieler
Der Vergleich mit der US-Mysteryserie „Stranger Things“, ebenfalls von Netflix, drängt sich auf. Beide huldigen den 1980ern. Hier wie dort geht es um verschwundene Kinder, geheime Experimente, Paralleluniversen. Zufall? Eher eine Frage des Zeitgeists. „Man merkt, dass die aktuellen Film- und Serienmacher mit den gleichen Dingen groß geworden sind“, sagt auch Jantje Friese bei der Vorstellung der Serie in Berlin. Stephen Kings Bücher gehörten dazu oder die Serie „Twin Peaks“.
Bei allen Parallelen: Es sind zwei verschiedene Serien. Bei „Dark“ gibt es keine Monster – und keine heiteren Momente. Keine Spaßszenen, in denen sich die Spannung für einen Moment auflöst. Aber die pausenlose Anspannung geschieht auf hohem Niveau. Nicht zuletzt wegen der drei Generationen sehr guter deutscher Schauspieler, die hier am Werk sind – von Louis Hofmann über Oliver Masucci und Jördis Triebel bis Angela Winkler. Um nur ein paar zu nennen.
Fazit: Mystery-Serie mit großer Suggestivkraft, die sich an internationalen Produktionen messen lassen kann.
Netflix, ab 1.12.