New York. 50 Jahre nach dem Filmklassiker gibt es beim Edeljuwelier tatsächlich etwas zu essen.

Die Wanderdrossel hat es besser. Gefällt es ihr nicht, fliegt sie einfach weiter. Die Besucher des zurzeit hippsten Cafés in New York haben es da nicht so leicht. Wer im vierten Stock des Juweliers Tiffany einen der 40 Plätze ergattert hat und dem Grünblau-Ton entfliehen will, der den Eiern der Wanderdrossel nachempfunden ist, muss schon in der richtigen Sichtachse zum großen Fenster sitzen. Nur von dort aus kann sich das Auge vom türkisfarbenen Inferno in der rot-bräunlichen Herbstlaub-Atmosphäre des Central Parks entspannen. Vom Sitzpolster über die Wand bis zu Teller, Salzstreuer und Servietten ist alles in der Farbe „Robin’s Egg“ gehalten. Womit auch schon der einzige Kritikpunkt abgehandelt wäre an einer Einrichtung, auf die manche seit nunmehr 56 Jahren sehnlichst gewartet haben.

Damals, 1961, stieg Audrey Hepburn alias Holly Golightly an der Ecke Fifth Avenue/57. Straße aus einem gelben Taxi. Um sich sodann zu den Klängen von Henry Mancinis und Johnny Mercers „Moon River“ im schwarzen Abendkleid mit vierreihigem Perlencollier nebst Hochsteckfrisur und dunkler Sonnenbrille vor den Klunkern im Schaufenster im Stehen ein Croissant und einen Kaffee aus dem Pappbecher zu genehmigen.

Die Schlüssel-Szene aus dem Filmklassiker „Frühstück bei Tiffany“, die wesentlich zur Reputation des Ortes mitten in Manhattan als Heimstatt von Luxus und Dekadenz beigetragen hat, muss die Entscheider auf die naheliegende Idee gebracht haben: Wenn Liebe (zu Perlen und Juwelen) schon durch den Magen geht, warum bieten wir dann nicht endlich eine emotional aufgeladene, hollywoodeske, instagramable und hauseigene Lösung an?

Gedacht, getan. Seit wenigen Tagen öffnet hinter der Tiffany-Granitfassade des Hauses Nr. 727 das „Blue Box Café“ seine Pforten. Stehen muss hier niemand. Das Frühstück aus Croissant, Obst, Avocado-Toast, Waffel, Lachs-Brötchen oder Trüffeleiern inklusive Kaffee oder Tee wird für 29 Dollar pro Person am Tisch serviert und gediegen auf der Etagere kredenzt.

Mehr als zehn Stunden mussten die Gäste bei der Eröffnung warten. Die Schlange reichte bis weit in die Nachbarschaft. Wo Sperrgitter und der Secret Service den Trump Tower, das Stammhaus des amtierenden US-amerikanischen Präsidenten schützen, hat Tiffany ein Internet-Buchungsportal eingespannt. Dort heißt die Nachricht bis weit in den Dezember hinein: kein Platz frei. Nicht anders sieht es aus für jene, die ihr Mittagessen im Umfeld von Gold und Geschmeide einnehmen wollen; etwa Salat mit Maine-Lobster für 39 Dollar oder ein leichtes Dinner für 49 Dollar.

Ein Blechring mit Gravur

Mitunter kommt es bei Menschen, die sich diesen Luxus gönnen wollen, zu herzzerreißenden Szenen: Eine kleine, feinst gewandete Frau, die eigens aus Tokio die Reise angetreten hatte, um ihrem Idol Audrey Hepburn „ganz nahe zu sein“, wurde in dieser Woche bereits „auf Februar“ vertröstet.

Der Ansturm ist enorm. Ganz nach dem Motto von Audrey Hepburn, die im Film ihrem Partner George Peppard zuruft: „Habe ich dir nicht gesagt, dass Tiffany toll ist?“ Dabei ging es seinerzeit um ein Geschenk, das unter zehn Dollar kosten musste. Am Ende entschied man sich für eine Blechring-Gravur. Im Film. Im echten Leben kriegt man für zehn Dollar bei Tiffany nicht mal ein Croissant. Aber schmecken tut es gut.