Berlin. Boris Becker feiert heute seinen 50. Geburtstag. In einer TV-Dokumentation zieht die deutsche Tennis-Legende Bilanz und rechnet mit seinen Landsleuten ab.

Der Mann, den sie Boris Becker nennen, ist im Grunde genommen zweimal geboren worden. Biologisch ist das zwar unmöglich, aber man kann einem Menschen ja durchaus mehrere Persönlichkeiten zuschreiben. Der
eine Boris Becker erblickt am
22. November 1967 das Licht der Welt und wird am Mittwoch
50 Jahre alt. Die Geburtsstunde des anderen Boris Becker ereignet sich 17 Jahre später am 7. Juli 1985, im All England Lawn Tennis Club. Der rothaarige, leicht lispelnde Teenager aus Leimen gewinnt in Wimbledon das wichtigste Tennisturnier der Welt. Er ist fortan der Bumm-Bumm-Boris der Nation, eine der größten Figuren, die der deutsche Sport hervorgebracht hat. Und eine der tragischsten dazu, denn Becker hat in seinen fünf Jahrzehnten alles erlebt: Weltruhm und Heldenstatus, Skandal und Fall.

Zum zweiten Boris Becker, dem Sportstar, haben die Deutschen ein zwiespältiges Verhältnis. Sie berauschen sich an seinem Erfolg und ergötzen sich an seinem Scheitern. Erst jubeln Millionen Fans mit ihm bei seinen drei Wimbledon-Titeln und den Erfolgen im Davis Cup, kaufen sich plötzlich Tennisschläger und lösen wegen ihm und Steffi Graf den Tennis-Boom der 80er-Jahre aus. Aber als es nichts mehr zu feiern gibt, amüsieren sie sich köstlich über die Fehltritte ihres Idols. Muss das sein?

„Wenn ich zurückblicke auf mein Leben, dann habe ich mehr richtig gemacht als falsch“, sagt Boris Becker in einem 90-minütigen Portrait, das die ARD am Montagabend ausgestrahlt hatte. Er klingt trotzig und Schutz suchend zugleich. Im privaten Leben wie auf dem Tenniscourt gilt: Manche Bälle landen im Feld, manche bleiben im Netz hängen. Boris Becker hat so manchen Schlag versemmelt, er hat aber auch immer wieder neu ausgeholt.

Menschen erheben sich gerne über große Persönlichkeiten, erst recht im sicheren Gefühl der Anonymität im Internet. Eigene Unzulänglichkeiten lassen sich kaschieren, erkennt man erst, dass auch Menschen, die man nur aus dem Fernsehen kennt und die viel mehr Geld haben, in der Liebe oder dem Beruf danebengreifen können. Boris Becker, so beherrschten die Schlagzeilen den Sommer, ist insolvent? Die Leute lachen. Lothar Matthäus hat die x-te Gattin? Macht man seine Witzchen drüber. Uli Hoeneß sitzt hinter Gittern? Geschieht ihm schon recht, einer dieser vielen Raffzähne.

Boris Becker fühlt sich nichtals Deutscher

Es ist ja nicht so, dass man Beckers Entscheidungen allesamt toll finden muss. Die schwangere Gattin Barbara zu betrügen und nach der Scheidung die Vaterschaft für die in einer Affäre gezeugte Tochter Anna zu leugnen, ist beschämend. Als er den Schläger endgültig mit 32 beiseitelegt, ist er Werbefigur („Bin ich denn schon drin?“, was ja noch ein wenig selbstironisch klang) und Unternehmer, der es nicht mal unter die besten 1000 der Weltrangliste schafft und zudem wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wird.

Und nun das: Becker soll ein 150-Millionen-Euro-Vermögen durchgebracht und 60 Millionen Euro Schulden angehäuft haben. Es ist aber auch nicht so, dass man für Boris Becker nur Häme empfinden muss. Er ist mit 18 Jahren Millionär, wird von allen vereinnahmt, wohnt in Monte Carlo. Er wird bester Spieler der Welt, der Papst segnet seinen Schläger. Das kann einem jungen Mann den Kopf verdrehen.

Es herrscht ein unglaublicher Erfolgsdruck, der Boulevard erwartet Schlagzeilen. Und später, nach dem Karriereende, meinen es die Berater häufig besser mit sich als mit ihrem sicher auch nicht immer geschickten Klienten. „Seit über 30 Jahren lebe ich
öffentlich, dafür zahlt man einen Preis“, sagt Becker. Der Grat
zwischen Heldenverehrung und Lachnummer ist schmal.

Inzwischen hat er mit seiner Heimat weitgehend abgeschlossen: „Ich fühle mich nicht als Deutscher“, sagt er nüchtern. Er lebt nun schon seit zehn Jahren in London, zieht dort mit seiner zweiten Ehefrau Lilly Söhnchen Amadeus (7) – den vierten Sprössling nach Noah (23), Elias (18) und Anna (17) – groß. Für sie ist er der einzig wahre Boris Becker, denn: „Das ist das Missverständnis: Ich war noch nie euer Boris, noch nie.“