Berlin. Nach den Missbrauchsvorwürfen gegen den Produzenten reagiert Hollywood entschieden.

Macht, Ruhm und Einfluss: Daraus bestand Harvey Weinsteins Welt. Stars wurden nervös, wenn er auf einer Party erschien. Er entschied über Karrieren, im Guten wie im Schlechten. Er war derjenige, mit dem man sich gut stellen musste. Vorbei. Nicht einmal zwei Wochen sind vergangen, seit die „New York Times“ und das Magazin „New Yorker“ ausführlich über Missbrauchsvorwürfe gegen den Hollywood-Mogul berichteten. Weinsteins Welt ist nicht wiederzuerkennen. Aus seiner Firma wurde er hinausgeworfen, seine Frau Georgina Chapman hat ihn verlassen, prominente Bekannte haben sich von ihm abgewendet, die Oscar-Akademie hat ihn ausgeschlossen. Er ist vorläufig abgetaucht.

Immer mehr fordern Veränderung in der Branche

Die jüngste Konsequenz: Der Verband der Filmproduzenten (PGA) eröffnete am Montagabend ein Ausschlussverfahren. Weinstein, einst der Star des Verbandes, bekommt noch Gelegenheit zu einer Stellungnahme, bevor die endgültige Entscheidung am 6. November fällt. „Sexuelle Belästigung jeder Art ist vollständig inakzeptabel“, so der PGA. „Dies ist ein systembedingtes und weit verbreitetes Problem, das sofort ein branchenweites Handeln erfordert.“ Der Verband beschloss, eine „Task Force“ einzurichten, die für das Problem der sexuellen Belästigung in der Filmindustrie Lösungen erarbeiten soll. Es gab auch Kritik: Auf Twitter erinnerten Menschen daran, dass gerade der PGA Weinstein immer gehätschelt habe. Die Maßnahmen zeigen aber, dass das Thema erkannt ist: Es geht nicht nur um Harvey Weinstein. Es geht um ein System von Tätern, Komplizenschaft, Angst, Scham und Schweigen, das von Beginn an zu Hollywood gehörte.

Die Taten Weinsteins, dem zahlreiche Schauspielerinnen vorwerfen, dass er sie übergriffig bedrängt, missbraucht oder vergewaltigt habe, sorgen dabei weiterhin für Empörung. Am Dienstag sagte ein anderer Hollywood-Gigant, Jeffrey Katzenberg: „Weinstein ist ein Monster.“ In einem Interview mit dem „Wall Street Journal“ ergänzte der Chef der Produktionsfirma Dreamworks: „Er ist nicht allein, es ist wie ein Rudel Wölfe. Und wir brauchen jetzt einen Umgang damit.“

Katzenberg war von Weinstein wie viele andere seiner einflussreichen Bekannten per E-Mail um Hilfe gebeten worden, als die Vorwürfe bekannt wurden. Seine Antwort an den Weggefährten veröffentlichte Katzenberg. Darin wird er ziemlich deutlich: „Du hast einer Menge Frauen über Jahre schreckliche Dinge angetan. Und ich kann in keiner Weise sagen, dass das für mich okay ist. Im Gegenteil, mir wird schlecht davon, ich bin wütend auf Dich und extrem enttäuscht.“

Auch diese Fragen treibt Hollywood um: Warum hat früher in ähnlichen Fällen niemand so reagiert? Warum hat sich nichts geändert? Und vor allem: Wird jetzt etwas passieren? Hollywood-Frauen sprechen optimistisch von einem „Wasserscheide-Moment“. Jetzt sei die Chance da, die Kultur zu verändern. Unter dem Hashtag #Metoo (Ich auch) erzählen weltweit Frauen bei Twitter von ähnlichen Erfahrungen mit Männern wie Weinstein. Motto: Gemeinsam sind wir stark. Denn genau das schildern seine Opfer als Hauptgrund, warum sie so lange schwiegen. Die Scham, das Alleinsein.

Vielleicht ist Weinstein ein Sonderfall. Besonders mächtig. Besonders gewissenlos. Menschen, die mit ihm zu tun hatten, sagen, er habe einem auch das Gefühl geben können, wichtig und besonders zu sein, so dass man bereit war, die Gerüchte über ihn für Klatsch zu halten. Vorbei. Die „Los Angeles Times“ stellte fest, dass Weinstein nicht nur seinen Job, Einfluss und seine Frau verloren hat, sondern vor allem eins: seine Unbesiegbarkeit.