Rüsselsheim/Main . Ein Lkw-Fahrer will einen Stau vermeiden und wendet auf der Autobahn. Wenig später kracht er in zwei Autos. Mehrere Menschen sterben.
- Ein Lkw-Fahrer hat mit einem Wendemanöver eine Tragödie verursacht
- Wegen eines Staus auf der Autobahn drehte der 34-Jährige um
- Er raste so in zwei Fahrzeuge, drei Menschen starben
Eine fatale Entscheidung, die drei Menschen das Leben kostet: Als der Lkw-Fahrer auf der Autobahn vor sich einen Stau sieht, beschließt er zu wenden. Entgegen der Fahrtrichtung rast der 34-Jährige mit seinem Kleinlastwagen zurück.
Nur ein kurzes Stück. Dann rammt er zwei Autos. Deren Insassen sind an diesem Samstagabend völlig ahnungslos auf der Autobahn 67 bei Rüsselsheim unterwegs. Drei Menschen sterben, fünf werden verletzt. Unter ihnen ist auch der Falschfahrer.
Falschfahrer in Wrack eingeklemmt
Der Kleinlastwagen überschlägt sich bei dem Unfall, der 34 Jahre alte Fahrer aus Polen wird eingeklemmt. Schwer verletzt wird er von Helfern aus dem Wrack geschnitten und in eine Klinik gebracht. Für die drei Insassen des ersten Wagens – ein 53 Jahre alter Mann und zwei 51 und 20 Jahre alte Frauen aus den Niederlanden – kommt hingegen jede Hilfe zu spät. Sie sterben nach Angaben der Polizei in Darmstadt noch am Unfallort.
Ob es sich um eine Familie handelt, war unklar. Die vier Frauen aus dem zweiten Auto werden leicht verletzt. Auch sie waren wie die Niederländer auf der korrekten Fahrspur unterwegs gewesen.
Polizeisprecher: „So etwas habe ich noch nicht erlebt“
„Es passiert manchmal, dass Autofahrer in Stausituationen mit Warnblinkanlage und auf dem Standstreifen rückwärtsfahren. Aber so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt ein Polizeisprecher.
Erst vor gut zwei Wochen hatte ein Autofahrer auf der A1 bei Köln an einem Stauende gewendet, um die Autobahn zu verlassen. Dabei war er gefilmt worden. Im August hatten bei Oldenburg auf der A29 gleich mehrere Auto- und Lastwagenfahrer nach einem schweren Unfall in der Rettungsgasse gewendet und waren entgegen der Fahrtrichtung über eine Ausfahrt abgefahren. Dabei wurden zum Glück Menschen weder verletzt noch getötet.
Lkw-Fahrer konnte noch nicht vernommen werden
Die Autobahn zwischen dem Rüsselsheimer Dreieck und dem Mönchhof-Dreieck glich hingegen einem Trümmerfeld. Die Fahrerkabine des 3,5-Tonners war eingedrückt. Das Dach des einen Autos wurde zerfetzt, von dem anderen war nur noch das Heck erkennbar. Wegen umfangreicher Aufräum- und Bergungsarbeiten sperrte die Polizei die Strecke in Richtung Norden bis etwa 4 Uhr morgens. Der Sachschaden: mehrere zehntausend Euro.
Ersten Ermittlungen zufolge war der 34-Jährige bei Rüsselsheim-Ost in nördlicher Richtung auf die Autobahn aufgefahren. Die Strecke endet wenige Kilometer weiter in unmittelbarer Nähe zum Frankfurter Flughafen auf der viel befahrenen A3 (Köln-Würzburg). Als der Mann den Stau bemerkte, wendete er und fuhr auf der linken Spur in Richtung Süden zurück. Wieso er das tat, war zunächst völlig unklar. Wegen seiner schweren Verletzungen konnte er nach Angaben der Autobahnpolizei bis zum Sonntag nicht vernommen werden.
2016 rund 2200 Falschfahrer gezählt
Hatte der Lastwagenfahrer einen Termin einzuhalten und wollte den Stau umfahren? War ihm die Brisanz seines waghalsigen Manövers überhaupt bewusst? Darauf haben die Ermittler noch keine genauen Antworten. Denn auch ein Irrtum oder ein Fahrfehler kann nicht ausgeschlossen werden. Nach Angaben des ADAC sind auf kurzen Autobahnabschnitten und Zubringern mit vielen Zu- und Abfahrten mit Abstand die meisten Falschfahrer unterwegs – weil es dort schwieriger ist, sich zu orientieren.
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr auf deutschen Autobahnen gut 2200 Falschfahrer gezählt, die meisten von ihnen zwischen Samstagabend und dem frühen Sonntagmorgen. Dabei kamen bei Unfällen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden 2016 in Deutschland zwölf Menschen ums Leben. Zum Vergleich: Im selben Jahr starben bei Unfällen im Straßenverkehr insgesamt rund 3200 Menschen, davon 393 auf Autobahnen.
Nach Einschätzung eines Polizeisprechers war dem 34-Jährigen möglicherweise aber bewusst, was er tat. Denn die A67 gilt an der Unfallstelle als ein Nadelöhr im Rhein-Main-Gebiet. Dort kommt es vor allem wegen der Nähe des Flughafens und der Autobahn 3 immer wieder zu Staus. Sie zu umfahren, ist wegen der Dichte des Verkehrsnetzes durchaus möglich – ob dieser Versuch nun juristisch als Tötungsdelikt zu bewerten ist, entscheidet die Staatsanwaltschaft. (dpa)