Garmisch-Partenkirchen. Auf der Zugspitze entsteht eine Seilbahn der Superlative. Denn wegen des Klimawandels naht das Ende des Wintersports in den Alpen.

Sie hängen an Seilen oder balancieren auf Gerüsten. Unter ihnen der Abgrund, rundherum schneebedeckte Berge und grüne Wiesen. Doch die 60 Arbeiter auf Deutschlands höchster Baustelle dürfen keinen Blick für dieses Bilderbuch-Bayern haben. Sie müssen sich konzen­trieren, jeder Fehler kann tödliche Folgen haben. Sie arbeiten unter enormem Zeitdruck: Bis Weihnachten müssen sie fertig sein. Wer mitten im Gebirge eine Seilbahn baut, benötigt starke Nerven.

Es ist ein Projekt der Superlative, das Deutschlands höchsten Berg verändern wird: Oberhalb von Garmisch-Patenkirchen entsteht eine gigantische Seilbahn hinauf auf den Gipfel der Zugspitze. 4500 Meter Strecke und 2000 Höhenmeter wird sie überwinden, nur zehn Minuten soll die Fahrt dauern. „Alle, die an diesem Projekt beteiligt sind, werden sich ihr ganzes Leben daran erinnern“, schwärmt Verena Lo­thes von der Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn AG, die mit dem Neubau mehr Touristen als je zuvor auf den Gipfel transportieren will.

Nach 50 Jahren war Bahn nicht mehr auf Höhe der Zeit

Per Helikopter haben sie einen riesigen gelben Baukran neben dem Gipfelkreuz installiert. Dann, vor ein paar Wochen, rammten die Bauarbeiter eine kolossale Stahlstütze in den Boden. Sie ist der einzige Zwischenmast der Seilbahn, 127 Meter hoch und 420 Tonnen schwer – die höchste Stahlstütze der Welt. 18 Lastwagen waren notwendig, um alle Bauteile ins Gebirge zu schaffen. Allein die Schrauben bildeten eine komplette Lkw-Ladung. Das Stahlseil – Kernstück der Konstruktion – wurde in einem Schweizer Spezialbetrieb aus 5,5 Millionen Metern Draht gefertigt.

Bis zum vergangenen Frühjahr gab es bereits eine Bahn auf der Strecke. Doch nach mehr als 50 Betriebsjahren war die Eibseebahn nicht mehr auf der Höhe der Zeit. „Die Bahn wurde 1963 eröffnet, sie entsprach einfach nicht mehr den heutigen Komfortanforderungen“, sagt Lothes. An schönen Tagen mussten die Touristen zwei Stunden auf einen freien Platz warten.

Projekt kostet 50 Millionen Euro

Mit dem Neubau soll alles schneller gehen und moderner, schöner, bequemer werden: Das bereits bestehende Gipfelgebäude wird zu einem Glas- und Stahlpalast mit Panoramarestaurant erweitert. Die Fensterscheiben der Gondeln werden beheizt sein, damit sie nicht beschlagen und den Fahrgästen die Sicht nehmen.

In Garmisch-Partenkirchen verbinden die Geschäftsleute mit dem Großprojekt immense Hoffnungen. 50 Millionen Euro kostet die Bahn – sie soll den traditionellen Wintersportort zukunftsfähig machen. Jahrelang setzte die Stadt auf Skifahrer, investierte in Lifte, Weltcup-Rennen und Neujahrsspringen. Sogar die Olympischen Winterspiele wollte die Gemeinde nächstes Jahr ausrichten, was jedoch ein Bürgerentscheid verhinderte. Jetzt versucht Garmisch-Partenkirchen, auch im Sommer mehr Touristen anzulocken.

Das Ende des Wintersports in den Alpen naht

Denn die Alpen leiden bereits heute unter den Vorboten des Klimawandels. Ohne teure Beschneiungsanlagen wäre Skifahren auf vielen Pisten gar nicht mehr möglich. Die Entwicklung wird sich verschärfen: Eine Studie des Deutschen Alpenvereins kommt zu dem Schluss, dass in bis zu 50 Prozent der bayerischen Skiorte Wintersport in den nächsten 15 bis 25 Jahren unmöglich sein wird. Viele Städte gestehen sich das nicht ein. Thomas Bucher vom Alpenverein spricht von einem „Wettlauf gegen den Klimawandel“: Mit immer neuen Investitionen in Schneekanonen, Lifte und Gipfelattraktionen versucht die Tourismusbranche, trotz steigender Wintertemperaturen weiterhin Gäste anzulocken. „Es gibt Regionen, in denen Skipisten keine Zukunft haben. Dort müssen die Gemeinden etwas anderes bieten, um vom Tourismus leben zu können“, sagt Bucher.

In Garmisch-Partenkirchen sind die Verantwortlichen vorbereitet. Wenn am 21. Dezember die neue Seilbahn ihren Betrieb aufnimmt, soll sie neue Besucher in die Stadt bringen. Bislang können pro Stunde 240 Tagestouristen auf den Gipfel fahren, bald fast 600. „Im ersten Jahr rechnen wir mit einem Besucherplus von zehn Prozent“, sagt Verena Lothes von der Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn AG. Kritiker der Pläne befürchten, dass der Berg zu einem Freizeitpark und die Natur dem Massentourismus geopfert wird.

Eröffnung erfolgt in drei Monaten

Doch Thomas Bucher vom Alpenverein hat sich mit den Garmischer Plänen arrangiert: „Die Zugspitze ist ein Prominenzberg ersten Ranges, sie war schon immer ein beliebtes Ausflugsziel.“ Die Umwelt werde unter der neuen Bahn nicht zusätzlich leiden. Er findet es sinnvoll, Touristen auf „Modeberge“ mit guter Infrastruktur zu locken, wenn dafür die Natur in anderen, unbebauten Gebieten erhalten bleibt.

Bucher weiß, dass er die Entwicklung ohnehin nicht aufhalten kann. In drei Monaten ist Eröffnung. Ein Bau für die nächste Generation: Die Seilbahn soll mindestens 50 bis 60 Jahre halten. Ob die Touristen dann noch auf schneebedeckte Alpengipfel blicken, weiß allerdings niemand.