Hamburg. Erfolglose Durchschnittsmänner sind das Lebensthema von Künstler Heinz Strunk. Mit seiner Traurigkeit hat der Autor gelernt umzugehen.

Heinz Strunk ist gerade im Kaufhaus, als die Redaktion ihn am Telefon erreicht. Während er mit dem Handy am Ohr in eine ruhige Ecke schlendert, erzählt der Hamburger ungehemmt von seinen frühen, wenig glamourösen Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. Inzwischen, sagt er, kommt er mit Frauen ganz gut klar. Heiraten will er trotzdem nicht. Seine Erlebnisse hat Strunk (55) in einem Film verarbeitet.

Heute läuft „Jürgen“ in der ARD – es geht wie so häufig in Ihren Werken um traurige Gestalten ohne soziale Kompetenzen. Was fasziniert Sie so an solchen Typen?

Heinz Strunk: Diese Männer sind ein interessantes Sujet, sie interessieren mich mehr als die Reichen und Schönen. Ich habe in meinem Leben viel mit solchen Leuten zu tun gehabt und kenne mich in deren Gedankenwelt ganz gut aus.

Sind derart verkrachte Existenzen nicht eher eine Randerscheinung?

Strunk: Wenn man offenen Auges durch eine deutsche Fußgängerzone läuft, wird man feststellen, dass ungefähr 70 Prozent der männlichen Bevölkerung eher wie Jürgen sind als wie George Clooney. Sie sind ein Millionenheer, die Jürgens bilden in der Gesellschaft die schweigende Mehrheit.

Was zeichnet sie denn aus?

Strunk: Ich meine damit Männer, die kein allzu interessantes Leben führen, keinen ausgefallenen Beruf haben, nicht viel Geld verdienen, keinen besonderen Geschmack haben und nicht gut aussehen. Es sind Schattengewächse. Männer wie Jürgen können froh sein, wenn sie wenigstens eine Frau abkriegen. Es geht ihnen gar nicht darum, ihre Traumfrau zu erobern, davon sind sie weit entfernt. Sie würden einfach jede Frau nehmen. Hauptsache irgendeine.

Haben Sie Mitleid mit ihnen?

Strunk: Ich finde es wichtig, mich den Figuren mit größtmöglicher Empathie zu nähern. In dem Film und auch in allen meinen Büchern steckt diese Ambivalenz: Das Leben der meisten Menschen ist traurig und von Niederlagen gezeichnet. Trotzdem kann man durch eine komische Distanz zum eigenen Leid die Tragik etwas lindern. Das gilt auch für mich selbst – deswegen bin ich Humorist geworden.

Wie viel Tragik steckt in Ihrem Leben?

Strunk: Jürgen ist nicht mein Alter Ego. Aber wie er habe ich jahrelang mit meiner kranken Mutter zusammengelebt. Und dieses Unerfolgreiche bei Frauen, das kennt jeder Mann, auch wenn er als noch so erfolgreich gilt. Dass man mal eine Frau wahnsinnig toll fand, die aber nichts von einem wissen wollte – das ist eine universelle Erfahrung, die auch ich gemacht habe. Sogar reichlich.

Tun Sie sich im Zwischenmenschlichen immer noch schwer?

Strunk: Bei mir ging es sehr spät los mit den Mädchen, so mit 18. In einem Alter, in dem meine Schulkumpels längst schon Freundinnen hatten, lief bei mir noch gar nichts. Später wurde es nicht unbedingt besser: In meinen Zwanzigern gab es mal drei Jahre, in denen mit Frauen komplett gar nichts lief. Die dadurch entstehende Frustration – sowohl die sexuelle als auch die gefühlsmäßige – habe ich zur Genüge erfahren. Heute bin ich entspannter, aber das hat 20 Jahre gedauert. Es gab keinen Hebel, den ich umgelegt habe. Es war ein langer Prozess.

Viele Menschen bemühen sich, das eigene Leben als Erfolgsgeschichte zu verkaufen.

Strunk: Niederlagen sind für mich nicht mit Scham verbunden. Meine Bücher haben etwas Bekenntnishaftes. Damit bin ich immer gut gefahren. Ich weiß gar nicht, warum manche Autoren auf gar keinen Fall etwas von sich preisgeben wollen. Über meine Erlebnisse zu schreiben ist für mich eine Möglichkeit, mit der Vergangenheit produktiv umzugehen. Ich bin zwölf Jahre lang als Tanzmusiker durch die norddeutsche Provinz getingelt. Das war damals für mich eine verlorene Zeit. Aber hätte es sie nicht gegeben, hätte ich mein erstes Buch „Fleisch ist mein Gemüse“ nicht schreiben können. Dann wäre aus meiner Schriftstellerlaufbahn nie etwas geworden. Insofern: Nochmal Glück gehabt!