New York. Ute Lemper ist einer der wenigen deutschen Weltstars. Im Interview spricht die Sängerin über Heimat, die Liebe und „Shopping Queen“.

Die Karriere von Ute Lemper ist einzigartig: Aus Münster auf die größten Bühnen der Welt. Sie spielte im Musical „Cabaret“ in Paris, tanzte und sang im Londoner Musical „Chicago“ und glänzte am New Yorker Broadway bei „Starlight Express“ – gefeiert als die „neue Marlene Dietrich“. Seit Jahren tourt die inzwischen 53-Jährige auch als Solosängerin um die Welt – zurzeit auch wieder in Deutschland. Zum Gespräch erreichten wir sie telefonisch in Manhattan.

Frau Lemper, auf welchem Kontinent waren Sie eigentlich noch nicht?

Ute Lemper: Eigentlich überall. In Südafrika war ich allerdings erst einmal, in Australien schon fünf- oder sechsmal, das ist immer der Hammer, eine Attacke auf das Immunsystem mit den 16 Stunden Zeitunterschied. Das ist schon schwierig zu verdauen. Und es wird auch nicht einfacher, je älter man wird.

Sehen Sie sich als Weltbürgerin?

Lemper: In den 80er- und 90er-Jahren war mein Zuhause in London, Paris und Berlin. Gleichzeitig bin ich viel getourt, war in Italien, Spanien und Portugal und weiteren Ländern, immer mit fünf oder sechs Portemonnaies mit den verschiedenen Währungen in der Tasche. Da war ich eine typische Europäerin, überall und nirgends zu Hause. Das war aber auch interessant als Konzept, kein Gefühl von Nationalismus zu entwickeln, sondern eine unabhängige Identität zu haben.

Aber in New York fühlen Sie sich nach 20 Jahren heimisch?

Lemper: Das Interessante war, dass ich mich dort sofort als New Yorkerin fühlte. Und das als Deutsche, als Europäerin, als Entwurzelte ...

Warum Entwurzelte?

Lemper: Weil ich ja zuvor zehn Jahre zwischen Paris, London und Berlin gependelt war und mich eher französisch als deutsch fühlte. Meine Karriere ging ja 1985 in Paris richtig los, dann direkt weiter in London. Ich hatte überall Wurzeln geschlagen, aber sie bedeuten für mich nicht in dem klassischen Sinne Heimat.

Sie sind derzeit wieder weltweit auf Tour. Worum geht es denn in ihrem aktuellen Programm „Last Tango in Berlin“?

Lemper: Die Lieder, die ich singe, haben oft mit der Liebe zu tun. Liebe in den dunklen Gassen der Großstädte, zwischen den Lichtern und im Nachtleben. Alle Lieder, die ich singe, ob es jetzt um Edith Piaf, Jacques Brel, Leo Ferré oder Astor Piazzolla geht, haben in sehr tiefer Weise mit unserer Existenz zu tun. Es geht da immer um Leben und Überleben, um leidenschaftliche und verblühende Liebe, um Brutalität und Gleichgültigkeit der Liebe. Wir ziehen bei den Konzerten musikalisch von Berlin nach New York, nach Buenos Aires, nach Paris und wieder zurück nach Hamburg. Es sind die Perlen des Chansons, gespielt von meinen wunderbaren Musikanten, die auch aus aller Welt kommen.

Ist Ihr Mann Todd Turkisher als Schlagzeuger wieder dabei?

Lemper: Nein, er muss zu Hause bleiben und auf die Kinder aufpassen (lacht). Wir gehen schon lange nicht mehr zusammen auf Tour: In meinen Programmen hab ich Percussion dabei, ein Schlagzeug aber schon seit einigen Jahren nicht mehr. Wir sehen uns lieber zu Hause als auf Tour.

Vor fast genau 30 Jahren erschien ihre erste LP „Ute Lemper singt Kurt Weill“. Welche Bedeutung hat der Komponist noch in Ihrem Programm?

Lemper: Weill ist immer ein bisschen dabei, weil in dem Repertoire meine Wurzeln liegen, jetzt aber auf spielerische Art und Weise. In dem Sinne, dass ich Weill mitnehme in andere Welten, etwa die Moritat von „Mackie Messer“ in die Welt von Tom Waits. Ich weiß mittlerweile, was die verschiedenen Nationen wollen. In Deutschland will man eigentlich nicht so viel Kurt Weill. In Portugal muss ich unbedingt immer die „Lilli Marleen“ singen. Die Deutschen freuen sich mehr über zeitgenössische Improvisationen, hören gern Jazz und Tango.

Ausgesprochen up to date waren Sie ja 2015, als Sie überraschend als Kandidatin der Vox-Show „Promi Shopping Queen“ auftauchten und diese sogar gewannen ...

Lemper: Ich hatte „Promi Shopping Queen“ vorher noch nie gesehen. Aber meine damalige PR-Agentin sagte: „Du musst das unbedingt machen, das ist eine ganz populäre Show in Deutschland.“ Ich fand das ganz lustig, habe ja auch Stil und Klasse und kann mich auf dem Laufsteg gut bewegen. Bis mir mein Bruder eine WhatsApp-Nachricht schickte und schrieb: „Bist Du wahnsinnig? Frag mich nächstes Mal, lass mich lieber dein PR-Agent sein!“

• Ute Lemper steht mit „Last Tango in Berlin“ am Dienstag, 27. Juni, in Hamburg auf der Bühne (Laeiszhalle) und am Mittwoch, 28. Juni, in Mülheim an der Ruhr (Stadthalle).