Berlin. Im Netz ist die „Vong“-Sprache längst etabliert. Was als Gag startete, steht inzwischen sogar auf Plakaten. 1 Phänomen auf der Spur.

Weil sie unter „Vong-Sprech“ leidet, lässt sich eine Jugendliche von einer Logopädin behandeln. „I bims Melanie, hab 1 Termin vong Therapie her“, sagt sie. So wie 7000 andere Jugendliche in Deutschland kann sie nicht mehr richtig reden und schreiben. Schuld daran trägt das Internet, wie es in dem Video vom zum „funk“-Netzwerk gehörenden „Bohemian Browser Ballett“ heißt.

Der Clip, der binnen weniger Tage mehr als 5.000 Mal geteilt wurde, ist natürlich nur Satire. Er nimmt den Slang aufs Korn, der seit längerem durchs Internet geistert und der es bereits auf Plakatwände geschafft hat. Seine Anfänge findet der Trend beim Rapper Money Boy, der damit angefangen hat, die Artikel „ein“ und „eine“ durch die Ziffer 1 zu ersetzen.

Auf den Spuren von „vong“

Dass daraus eine richtige Netzsprache entstanden ist, liegt am Internet selbst. Viele Nutzer griffen Money Boys Slang auf, entwickelten ihn weiter. So zum Beispiel die Facebook-Seiten „Nachdenkliche Sprüche mit Bilder“, „vong“. Hier werden unter anderem Fotos veröffentlicht mit Phrasen, die voller Grammatik- und Rechtschreibfehlern sind. Auch der Twitter-Account „Kurt Prödel“ hat seinen Anteil an der Entwicklung des Slangs.

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Immer wieder dabei: die Konstruktion „vong ... her“. Fachleute sprechen von einer Zirkumposition. Ein Bezugswort wird dabei um eine an sich überflüssige Information ergänzt. In Reinform etwa: „Das Wetter ist schön vong Sonne her“.

Hinter „Nachdenkliche Sprüche mit Bilder“ steckt ein 33-jähriger Großhandelskaufmann aus Amberg in der Oberpfalz, der sich als Kunstfigur Willy Nachdenklich inszeniert. Er habe eines Tages krank im Bett gelegen und im Internet gesurft, erzählt er, als er auf die – ganz ernsthaft – geteilten und gelikten Fotos mit sentimentalen Sprüchen stieß, die oft vor Fehlern nur so strotzen.

Facebook-Seite „vong“

„Das wollte ich verballhornen.“ Also bastelte er Bild-Text-Kombos und tippte absichtlich Fehler rein. „I bims“ als falsch geschriebene Form von „Ich bin's“ ist eine weitere Variation, von der nicht ganz klar ist, von wem sie stammt.

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Zuletzt wurde die Netzsprache aber vor allem von der Facebook-Seite „Vong“ geprägt – unter anderem mit Videos um YouTube-Star Phil Laude. Das kurbelte den Hype richtig an: „Mit den YouTube-Videos und der Facebook-Seite haben wir eine Reichweite von 20 Millionen“, sagte einer der Macher der Seite unserer Redaktion.

„Es ist toll, wenn Laien Sprachkritik üben“

Selbst die Frankfurter Polizei habe schon in „Vong“-Sprech gepostet, wodurch die Anfang des Jahres gegründete Seite förmlich durch die Decke gegangen sei. In Kürze will auch er ein Buch veröffentlichen mit einem Wörterbuch zur „Vong“-Sprache, Comics und neuen Sprüchen. Einen Verlag habe er bereits gefunden, sagt er.

Linguisten wie Konstanze Marx vom Institut für Deutsche Sprache in Mannheim sind begeistert: „Es ist toll, wenn Laien Sprachkritik üben“, sagt die Professorin. „Die regelmäßigen Fehler sind im Netz erkannt worden und werden auf die Schippe genommen.“ Und das wiederum geschehe nach eigenen Gesetzen wie dem Austausch von N durch M, der Ziffer 1 oder eben der Verbindung aus „vong“ und „her“.

Angst vor Verhunzung

„Sprachspielerei ist etwas, das kreativ ist und nur funktioniert, weil die eigentlichen Regeln gefestigt sind“, sagt Marx. Daher sieht sie auch keine Gefahr, dass sich die falsche Grammatik und Rechtschreibung durchsetzen könnten. „Wer sich mit korrekter Schreibe auskennt, merkt, dass das übertrieben und Absicht ist“, sagt sie.

Auch ihre Kollegin, Sprachwissenschaftlerin Anette Trabold, hält die Sorge einiger Nutzer, dass der Trend die deutsche Sprache verhunzt, für unbegründet. Schon in den 80er Jahren sei der Untergang der deutschen Sprache von den Kirchen proklamiert worden, weil sie Angst hatten, dass Jugendliche durch die Erfindung des Walkmans weniger schreiben würden. „Man konnte früher auch nicht absehen, dass durch das Internet heute sogar viel mehr als früher geschrieben wird“, sagt sie unserer Redaktion.

Als Werbung verwendet

Zudem gebe es nicht „die eine Sprache“, sagt Trabold. Und nur weil sich Nutzer vielleicht im Internet so unterhalten würden, heiße das noch lange nicht, dass sie nicht mehr richtig schreiben oder sprechen könnten. Zudem habe jeder Mensch sein eigenes Sprachniveau.

Als Werbemaßnahme für eine junge Zielgruppe taugt „vong" aber eher nicht. Der Mobilfunkanbieter Vodafone ernteten für eine entsprechende Kampagnen viel Kritik. So hatte Vodafone jüngst zwei Wochen lang in 15 Städten – laut einer Sprecherin extra im Umkreis von Schulen und Unis – großflächige Plakate kleben lassen mit der Aufschrift: „DER MOMENT WENN DEIN DATEMVOLUMEN VONG VORMONAT HER NOCH DA IST.“

Manche User erklärten die „Vong“-Nutzung spätestens ab diesem Zeitpunkt für out. Das will der „Vong“-Seitenbetreiber so nicht stehen lassen. „Es kommt sehr sympathisch, wenn Unternehmen die Ketten der Rechtschreibung sprengen“, sagte er.

Duden mischt mit

Mitten im Hype war aber selbst der Duden aufgesprungen und hatte ein Bild gepostet mit dem Spruch: „Man muss immer auf korrekte Rechtschreibung 8ten. Vong Grammatik her.“ Eine Sprecherin erinnert sich: „Die Reaktion darauf war überwältigend, sowohl hinsichtlich der Anzahl der Antworten wie auch hinsichtlich ihrer Art – die Begeisterung war groß.“

Die Posts hätten deutlich machen sollen, „dass wir die Entwicklung der Sprache und den kreativen Umgang mit ihr sehr genau beobachten und dass es auch uns Freude macht, mit Sprache zu spielen und ihr locker-leichtes Wesen herauszustellen“.

Hoffnung auf Eintrag im Wörterbuch

Ob es „vong“ irgendwann sogar richtig in den Duden schafft, ist fraglich. Für eine mögliche Aufnahme gelten dieselben Kriterien wie für alle Wortschatz- und Grammatikentwicklungen: Sie müssen über einen längeren Zeitraum und in einer Streuung über verschiedene Textsorten hinweg in der Sprache präsent sein. Ob das gelingt, bleibt also abzuwarten – vong Zeit her. (mit dpa)