Bangkok. Der Mount Everest, ein Touristenmagnet. Neben leichtsinnigen Abenteurern tummeln sich dort auch Geschäftemacher und Sauerstoffdiebe.

Nepals Mount Everest wandelt sich zum höchsten Rummelplatz der Welt. 600 Personen haben in diesem Jahr trotz starker Winde, schlechten Wetters und extremer Kälte den legendären Berg bestiegen. Der Massentourismus hat auch hier seine Schattenseiten: Neben den extremen Müllproblemen steigt auch die Kriminalität. Der Berg lockt nicht nur gerissene Geschäftemacher, sondern auch Sauerstoffdiebe.

Bereits im vergangenen Jahr gab es Berichte, wonach mehrere rund 500 Dollar teure Flaschen mit lebenswichtiger Atemluft für erschöpfte Everest-Bezwinger auf mysteriöse Weise verschwanden. Während der vergangenen Wochen mussten gleich mehrere Gruppen beim Abstieg vom Mount Everest zu ihrem Schrecken feststellen, dass Unbekannte ihre Zelte geöffnet und für den Heimweg aufbewahrte Sauerstoffvorräte gestohlen hatten.

Diebstahl treibt Handel mit Sauerstoff an

In zumindest einem Fall überlebte ein westlicher Bergsteiger den Abstieg nur, weil sein Führer ihm seine eigene Flasche mit den letzten Resten Luft überließ. „Der Diebstahl kann fatale Folgen haben“, warnte der britische Bergführer Tim Mosedale, der von den Kletterern rund 45.000 Dollar verlangt und damit zu den teuersten Unternehmern am Everest zählt.

„Viele unserer Kunden sind so erschöpft vom Aufstieg, dass sie ohne diese Vorräte dem Untergang geweiht sind.“ Laut einigen Bergsteigerberichten soll mittlerweile ein schwunghafter Handel mit Sauerstoff im Basislager existieren, weil verschwundene Vorräte dringend aufgefüllt werden müssen.

Westliche Firmen verlangen bis zu 45.000 Dollar für Expedition

Angesichts einer Vielzahl von Firmen, die mit einem Ausflug in die Todeszone des Bergs Geschäfte machen, sind Experten wenig erstaunt. In Indien ist ein Trip auf den Mount Everest für ganze 18.000 Dollar zu haben. Westliche Firmen verlangen mit 40.000 bis 45.000 Dollar mittlerweile knapp die Hälfte des Preises, der vor Jahren üblich war. Allein die Gebühr für Nepal beträgt 11.000 Dollar. „Manche Expeditionsunternehmen sind völlig unzureichend ausgerüstet“, bemängelt ein Sherpa in Kathmandu.

In diesem Jahr wurde die Warnung vor Sauerstoffdieben von dem Briten Mosedale ausgelöst, der bereits für helle Aufregung gesorgt hatte. „Der Hillary Step ist verschwunden“, behauptete er nach der Rückkehr ins Basislager. Benannt nach dem Australier Edmund Hillary, der im Mai 1953 mithilfe seines Sherpas Tenzing Norgay den 8848 Meter hohen Everest erstmals bezwang, stellte die 450 Millionen Jahre alte Felsformation das letzte große Hindernis vor dem Gipfel dar.

Warteschlangen vor dem Auf- und Abstieg

In 8770 Meter Höhe gelegen, gab es in dem Gesteinsbruch oft lange Warteschlangen, bevor schließlich getrennte Wege für Auf- und Abstieg mit Seilen gesichert wurden. Laut Mosedale führt der Weg jetzt durch einen Pfad im ewigen Schnee des Gipfels. Aber nicht nur andere Bergsteiger verweisen die ­Behauptung des Briten ins Reich der Fantasie. Die zuständigen Behörden Nepals behaupten ebenfalls steif und fest und voller Ingrimm: „Der Hillary Step ist immer noch dort, wo er immer war.“

Mit Nepals Behörden am Mount Everest ist derzeit nicht zu spaßen, wie auch der in den USA lebende Südafrikaner Ryan Sean Davy erfuhr. Der 43-Jährige wurde in einer Höhle in fast 6000 Meter Höhe am Mount Everest entdeckt. Bergsteigen hatte er sich per YouTube beigebracht und dann beschlossen, seine Filmkenntnisse mit wenig Ausrüstung für einen Vorstoß auf eigene Faust bis in die Todeszone zu nutzen. Stattdessen landete er in Kathmandu in einer Gefängniszelle, weil Davy nach seiner Entdeckung ausfallend geworden war.

Der Pole Janusz Adam Adamski, mit 49 Jahren gewiss kein dummer Junge mehr, wanderte gar am Everest entlang von Nepal auf die chinesische Seite, um einer saftigen Geldstrafe zu entgehen, und verkündete in einer Tageszeitung: „Berge kennen keine Grenzen.“

Indien und Nepal streiten um Bergung eines Toten

Das möchten gegenwärtig auch Indiens Regierung und die Familie des 27-jährigen, vor einer Woche tödlich verunglückten Inders Ravi Kumar glauben. Von seinem Sherpa zurückgelassen, stürzte er in 8400 Meter Höhe nach der Rückkehr vom Everest-Gipfel in eine 200 Meter tiefe Spalte. Nun beharren Indien und die Familie gegen alle Ratschläge darauf, dass der Tote geborgen wird. Die Leiche dürfte durch die starke Vereisung mittlerweile 130 Kilo schwer sein.

„Ein Bergungsversuch ist nicht nur riskant, sondern gefährlich“, kritisierte der Sherpa-Vorsitzende. Aber Indien ist ein wichtiger Geldgeber Nepals. Deshalb soll die Bergung trotz der Risiken probiert werden. In der Vergangenheit wurden die meisten Toten auf dem Everest zurückgelassen.