Berlin. Krzysztof Charamsa bekleidete eines der ranghöchsten Ämter im Vatikan – dann hatte er sein Coming-Out. Bei Lanz gab er tiefe Einblicke.

2015 änderte sich alles im Leben von Krzysztof Charamsa. Der polnische Priester gab auf einer Pressekonferenz im Vatikan bekannt, dass er homosexuell ist. Daraufhin wurde er von der Kirche suspendiert, lebt seitdem mit seinem Lebensgefährten in Barcelona – glücklich, wie Charamsa bei Markus Lanz am Mittwoch sagt.

Der Moderator hatte den polnischen Theologen in seine Sendung eingeladen. Lanz wollte mit Charamsa, der eines der ranghöchsten Ämter im Vatikan bekleidete, nicht nur darüber sprechen, wie sich sein Leben seit seinem Coming-Out verändert hatte. Es sollte auch darum gehen, wie es denn nun bestellt sei um Homosexualität in der Kirche.

„Ich habe das nie überprüfen können“

Charamsa erzählte, er habe nie sexuelle Beziehungen gehabt – bis er sich verliebte. Homosexualität sei in der Kirche auch mit Papst Franziskus ein großes Tabu-Thema – und das, obwohl Charamsa schätzt, dass 50 Prozent des gesamten Klerus schwul seien, wie er erzählt.

Er betont, dass diese Zahl nur auf seiner Wahrnehmung beruhe: „Ich habe das nie überprüfen können“, sagt er. „Niemand hat die Erlaubnis in der Kirche das wissenschaftlich zu untersuchen.“ Der 44-Jährige erwähnte zudem Autoren aus den USA und Südamerika, die den Anteil von Homosexuellen in der katholischen Kirche sogar auf 60 Prozent und höher schätzen.

Priester ignorieren Homosexualität

Doch wie kann sich kann Charamsa, der Mitglied der Kongregation für Glaubenslehre war, bei seiner Schätzung so sicher sein? Der ehemalige Priester hat vielen Kollegen die Beichte abgenommen. „Das wird wie ein Trauma erlebt. Wir erleben unsere Sexualität als etwas Negatives, etwas Sündhaftes.“ Sie diene aber dazu, Beziehungen aufzubauen, präge die Arbeit und die eigene Originalität, sagte er. „Das ist sowas wie eine Art interne Schizophrenie.“

Lanz wollte wissen, wie viele der Priester ihre Homosexualität auslebten. Charamsa erklärte, dass viele – wie er auch – ihre Homosexualität ignorierten, fast schon verdrängen würden. Auch wenn sie sie natürlich spürten: „Die sind wie behindert innerlich, weil sie sich ihrer Sexualität überhaupt nicht angenommen haben.“

Bei Benedikt ging es „schwul wie noch nie zu“

Charamsa sprach auch Benedikt XVI an, der sich für ein besonders hartes Vorgehen gegen Homosexuelle entschieden habe. In seinem Buch „Der erste Stein“ schreibt Charamsa über das Pontifikat des früheren Papstes, es sei „so schwul“ zugegangen „wie wohl nie zuvor in der Neuzeit“ – „es war eine Periode, in der das ganze schwule Szenarium, welches das Rom der Barockzeit zu bieten hatte, wieder auflebte“.

Heute arbeitet Charamsa als Freiberufler, lebt mit seinem Freund in einem bei Homosexuellen beliebten Viertel von Barcelona. Rückblickend sei er froh, sich zu diesem Schritt entschlossen zu haben. „Ich muss frei sein, um denken und lieben zu können“, sagt der 44-Jährige. „Denn die Freiheit fängt damit an, sich selbst zu akzeptieren.“

Die ganze Sendung von Markus Lanz ist in der ZDF-Mediathek abrufbar.