Dortmund. Der Anschlag auf den BVB-Bus soll von einem Aktienspekulanten verübt worden sein, der auf ein Tief der BVB-Aktie gewettet haben soll.

  • Nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus des BVB ist ein 28-jähriger Mann festgenommen worden
  • Der Deutsch-Russe soll auf einen Abrutsch der BVB-Aktie gewettet haben
  • Offenbar wollte er den Aktienkurs mit dem Bombenanschlag abrutschen lassen

Hinter dem Sprengstoffanschlag auf die Mannschaft des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund steckt nach Erkenntnissen der Ermittler mutmaßlich ein Aktienspekulant. Die Polizei nahm am Freitag im Raum Tübingen einen 28-Jährigen fest, der auf einen durch die Tat ausgelösten Kursverlust der BVB-Papiere gesetzt haben soll, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte. Der Mann wollte mit den Börsen-Spekulationen viel Geld verdienen.

Anhaltspunkte für mögliche Gehilfen und Mittäter bei dem Anschlag gebe es bislang nicht, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler. Die Ermittlungsbehörde behalte diese Frage aber weiter im Blick.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat am Nachmittag auf Antrag der Bundesanwaltschaft Haftbefehl gegen den Mann erlassen. Er sitzt nun in Untersuchungshaft.

Ermittler kamen Verdächtigem „sehr früh“ auf die Spur

Einem Medienbericht zufolge soll er bei seiner Festnahme ein Geständnis abgelegt haben. „Ich bin es, ihr habt den Richtigen“, habe er gesagt, als ihn ein sechsköpfiges Team der Anti-Terroreinheit GSG 9 auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle verhaftet habe, berichtet „Focus Online“ unter Berufung auf Sicherheitskreise. Zugleich habe er den Beamten seinen Wohnungsschlüssel gereicht: „Da, jetzt könnt ihr zu Hause nachsuchen.“ Danach sei er in Tränen ausgebrochen, hieß es.

Das Bundeskriminalamt dementierte. Demnach habe sich der Mann zunächst nicht zur Tat geäußert. Auf eine entsprechende Frage des ZDF-„heute journals“ sagte BKA-Präsident Holger Münch am Freitagabend: „Nein, er hat sich nicht eingelassen.“ Die Ermittler seien ihm schon „sehr früh“ auf die Spur gekommen, nachdem sie einen Hinweis auf auffällige Käufe von Optionsscheinen bekommen hätten.

Derivate auf die BVB-Aktie erworben

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD).
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD). © dpa | Federico Gambarini

Dem Verdächtigen Sergej W. wird versuchter Mord, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der Mann hat laut Bundesanwaltschaft die deutsche und die russische Staatsangehörigkeit. W. war seit Mitte 2016 als Elektriker in einem Tübinger Heizwerk tätig.

Wie viel Geld der Verdächtige im Fall des Anschlags auf den BVB-Mannschaftsbus maximal an der Börse hätte gewinnen können, ist noch nicht klar. Das werde derzeit noch berechnet, sagte Köhler. Der 28-Jährige habe drei verschiedene Derivate auf die Aktie von Borussia Dortmund erworben – die meisten davon am Tag des Angriffs selbst.

Je tiefer die Aktie gefallen wäre, desto höher wäre der Gewinn gewesen

Unklar ist auch, wie viel Geld der Mann investiert hat. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft hat der Tatverdächtige für den Kauf der Derivate einen Verbraucherkredit in Höhe von mehreren zehntausend Euro aufgenommen. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) erklärte: „Der Täter hat nach meinem jetzigen Stand 79.000 Euro investiert, um entsprechende Aktienoptionsscheine zu kaufen.“ Nach „Spiegel“-Informationen soll sich der 28-Jährige einen Verbraucherkredit über 40.000 Euro besorgt haben.

„Das ist Wahnsinn“: BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
„Das ist Wahnsinn“: BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. © dpa | Ina Fassbender

Sicher ist aber: Je tiefer die Aktie des Fußballvereins gefallen wäre, desto höher wäre der Gewinn für den Verdächtigen ausgefallen. Der BVB war im Jahr 2000 als erster deutscher Sportverein an die Börse gegangen.

Der Kauf der Derivate wurde den Angaben zufolge über einen Online-Anschluss des Mannschaftshotels abgewickelt, in dem der Tatverdächtige bereits am 9. April – zwei Tage vor der Tat – ein Zimmer im Dachgeschoss bezogen habe – mit Blick auf den späteren Anschlagsort.

Watzke will Sicherheitsmaßnahmen verschärfen

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zeigte sich befremdet über das mögliche Tatmotiv. „Dass man offensichtlich versucht hat, durch den Anschlag Kurs-Gewinne zu realisieren – das ist natürlich Wahnsinn“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Wir werden jetzt im Rahmen unserer Möglichkeiten die Sicherheitsvorkehrungen noch mal dramatisch nach oben schrauben“, fügte er an.

Auch Thomas Tuchel äußerte sich am Freitag auf der Pressekonferenz vor dem anstehenden Bundesligaspiel gegen Mönchengladbach zu den Ermittlungen. „Ich bin überzeugt davon, dass die Aufklärung für uns alle sehr wichtig ist“, sagte der BVB-Trainer. Die Verarbeitung des dramatischen Vorfalls im Team sei allerdings keinesfalls abgeschlossen. „Mir geht es aktuell sehr gut, aber ich traue mich nicht, dass auch für alle meine Spieler zu sagen.“

Kriminaltechniker suchen nach Herkunft des Sprengstoffs

„Mir geht es aktuell sehr gut, aber ich traue mich nicht, dass auch für alle meine Spieler zu sagen“: BVB-Trainer Thomas Tuchel.
„Mir geht es aktuell sehr gut, aber ich traue mich nicht, dass auch für alle meine Spieler zu sagen“: BVB-Trainer Thomas Tuchel. © Bongarts/Getty Images | Maja Hitij

Herkunft und Art des beim Anschlag verwendeten Sprengstoffs sind den Angaben der Bundesanwaltschaft noch nicht ermittelt. Da bei der Explosion der gesamte Sprengstoff umgesetzt worden sei, seien die Untersuchungen „etwas komplexer und etwas aufwendiger“, sagte Köhler. Die Kriminaltechniker müssten zum Beispiel Bodenproben untersuchen.

Am Dienstag vergangener Woche hatten vor dem Champions-League-Spiel der Dortmunder gegen den AS Monaco drei Sprengsätze nahe dem Mannschaftsbus gezündet. Die BVB-Spieler waren kurz zuvor mit ihrem Bus vom Mannschaftshotel zum Stadion losgefahren. Bei der Explosion wurde der Abwehrspieler Marc Bartra von Splittern getroffen und schwer verletzt. Ein Motorradpolizist erlitt ein Knalltrauma. Das Spiel war wegen des Anschlags um einen Tag verschoben worden.

De Maizière verurteilt gefälschte Bekennerschreiben

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei seinem Statement zur Festnahme von Sergej W..
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei seinem Statement zur Festnahme von Sergej W.. © dpa | Britta Pedersen

Die Ermittler hatten zunächst versucht, Schlüsse aus drei gleichlautenden Bekennerschreiben zu ziehen, in denen ein radikal-islamistisches Motiv für den Anschlag behauptet wird. Die Schreiben waren am Tatort gefunden worden. Nach eingehender Prüfung hat die Bundesanwaltschaft an einem radikal-islamistischen Hintergrund aber erhebliche Zweifel. Auch ein rechtsextremistisches Bekennerschreiben weist nach Angaben der Behörde Widersprüche und Ungereimtheiten auf. Es deute derzeit nichts daraufhin, dass es vom Täter stamme.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bezeichnete die Schreiben als „besonders perfide Art, mit der Angst der Bevölkerung zu spielen“. Wenn sich der Verdacht der Ermittler bestätige, habe der Täter versucht, sich als Terrorist auszugeben, sagte er. Das zeige, dass es richtig sei, in alle Richtungen zu ermitteln.

Anschlag auf BVB-Teambus in Dortmund

Schock in Dortmund: Am 11. April 2017 detonierten auf der Fahrt zum Stadion neben dem Mannschaftsbus des BVB drei Sprengsätze. Das Champions-League-Spiel gegen AS Monaco am Abend wurde daraufhin abgesagt.
Schock in Dortmund: Am 11. April 2017 detonierten auf der Fahrt zum Stadion neben dem Mannschaftsbus des BVB drei Sprengsätze. Das Champions-League-Spiel gegen AS Monaco am Abend wurde daraufhin abgesagt. © dpa | Marcel Kusch
BVB-Profi Marc Bartra wurde bei dem Vorfall schwer verletzt, der Fußballer wurde noch am Abend operiert. Außerdem wurde ein Polizist verletzt.
BVB-Profi Marc Bartra wurde bei dem Vorfall schwer verletzt, der Fußballer wurde noch am Abend operiert. Außerdem wurde ein Polizist verletzt. © dpa | Ina Fassbender
Bei der Attacke durchschlug ein Teil des Sprengsatzes eine Scheibe des Mannschaftsbusses.
Bei der Attacke durchschlug ein Teil des Sprengsatzes eine Scheibe des Mannschaftsbusses. © dpa | Bernd Thissen
Die Polizei gab an, „mit starken Kräften vor Ort“ zu sein.
Die Polizei gab an, „mit starken Kräften vor Ort“ zu sein. © REUTERS | Kai Pfaffenbach
Die Mannschaft sollte zunächst mit einem anderen Bus zum Stadion gebracht werden. Mehrere Spieler hielten sich vor der Unterkunft auf.
Die Mannschaft sollte zunächst mit einem anderen Bus zum Stadion gebracht werden. Mehrere Spieler hielten sich vor der Unterkunft auf. © dpa | Carsten Linhoff
Der BVB informierte die Fans im Stadion über den Vorfall.
Der BVB informierte die Fans im Stadion über den Vorfall. © REUTERS | Ralph Orlowski
Die hielten sich zusätzlich über ihre Smartphones auf dem Laufenden.
Die hielten sich zusätzlich über ihre Smartphones auf dem Laufenden. © dpa | Federico Gambarini
Die Fans verließen das Stadion nach der Absage des Spiels ohne Zwischenfälle.
Die Fans verließen das Stadion nach der Absage des Spiels ohne Zwischenfälle. © dpa | Federico Gambarini
Fans des AS Monaco hatten zuvor ihre Anteilnahme mit „Dortmund! Dortmund!“-Sprechchören gezeigt.
Fans des AS Monaco hatten zuvor ihre Anteilnahme mit „Dortmund! Dortmund!“-Sprechchören gezeigt. © Getty Images | Lukas Schulze
Das Spiel wurde einen Tag nach dem Vorfall nachgeholt, der BVB verlor 2:3 gegen den AS Monaco.
Das Spiel wurde einen Tag nach dem Vorfall nachgeholt, der BVB verlor 2:3 gegen den AS Monaco. © dpa | Carsten Linhoff
Zunächst gab es keine heiße Spur zu den Tätern. Die Ermittler konzentrierten sich auf das, was an handfesten Spuren am Tatort gefunden wurde: Reste des bei dem Anschlag verwendeten Sprengstoffs und der Zünder, dazu die drei am Tatort gefundenen gleichlautenden Bekennerschreiben.
Zunächst gab es keine heiße Spur zu den Tätern. Die Ermittler konzentrierten sich auf das, was an handfesten Spuren am Tatort gefunden wurde: Reste des bei dem Anschlag verwendeten Sprengstoffs und der Zünder, dazu die drei am Tatort gefundenen gleichlautenden Bekennerschreiben. © dpa | Ina Fassbender
Fans hatten den Schriftzug „Keine Bombe kriegt uns klein! BVB wird ewig sein“ an einem Zaun geschrieben.
Fans hatten den Schriftzug „Keine Bombe kriegt uns klein! BVB wird ewig sein“ an einem Zaun geschrieben. © dpa | Friso Gentsch
Bei dem Anschlag hätte es weit schlimmere Verletzungen geben können: Die Bildkombo zeigt durch umherfliegende Metallstifte beschädigte Autos, einen Splitter, der sich in einen Zaun gebohrt hat und einen Splitter des Sprengsatzes am Boden.
Bei dem Anschlag hätte es weit schlimmere Verletzungen geben können: Die Bildkombo zeigt durch umherfliegende Metallstifte beschädigte Autos, einen Splitter, der sich in einen Zaun gebohrt hat und einen Splitter des Sprengsatzes am Boden. © dpa | David Young
Erst zuletzt kamen die Ermittler dem Deutschrussen Sergej W. auf die Spur.
Erst zuletzt kamen die Ermittler dem Deutschrussen Sergej W. auf die Spur. © REUTERS | Kai Pfaffenbach
Zehn Tage nach dem Anschlag war das der Durchbruch:
Zehn Tage nach dem Anschlag war das der Durchbruch: © dpa | Ina Fassbender
Am Morgen des 21. April nahm die Polizei den 28-jährigen Sergej W. als Tatverdächtigen nahe Tübingen fest.
Am Morgen des 21. April nahm die Polizei den 28-jährigen Sergej W. als Tatverdächtigen nahe Tübingen fest. © dpa | Christoph Schmidt
Im Prozess hat der Angeklagte die Tat gestanden, aber jede Tötungsabsicht bestritten. „Ich bedauere mein Verhalten zutiefst“, sagte der 28-jährige am 8. Januar 2018 vor dem Dortmunder Schwurgericht.
Im Prozess hat der Angeklagte die Tat gestanden, aber jede Tötungsabsicht bestritten. „Ich bedauere mein Verhalten zutiefst“, sagte der 28-jährige am 8. Januar 2018 vor dem Dortmunder Schwurgericht. © picture alliance / Revierfoto/Re | dpa Picture-Alliance / Revierfoto
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(ba/dpa)