São Paulo/Delmenhorst. Ein seit Wochen auf dem Flughafen von São Paulo lebender Deutscher wird nun abgeschoben. Aufatmen vor Ort: Der Mann war gewalttätig.

Unter den 36.596.326 Passagieren auf Lateinamerikas zweitgrößtem Flughafen war am Jahresende auch ein Deutscher, der vier Monate später immer noch dort ist. Und das ist in São Paulo inzwischen ein Politikum, nachdem der mutmaßlich psychisch kranke Mann mehrfach unvermittelt auf fremde Frauen eingeschlagen hat. Am Sonntag soll das Thema mit seiner Abschiebung erledigt sein.

Der Mann war im November von Casablanca in Marokko kommend gelandet und hatte nach Angaben des Flughafens einen Anschlussflug nach New York. Nach anderen Angaben kam er im Dezember an. Was dann passierte, ist nicht ganz klar. Er erreichte den Flug nicht und sollte für ein Ticket zahlen. „Es gibt Berichte, er habe kein Geld und seine Kreditkarte würde nicht funktionieren“, sagt Flughafensprecher Marcelo de Andrade.

Essensreste aus dem Müll

Seither lebte der grauhaarige, bärtige Mann im Terminal 2 und ernährte sich überwiegend von dem, was ihm freundliche Menschen schenken, und von Essensresten aus dem Müll. „Die meiste Zeit schlendert er durchs Terminal“, so Andrade.

Im Film
Im Film "Terminal" lebt Tom Hanks im Transitbereich des New Yorker Flughafens, weil er nicht einreisen darf. Mit seiner Improvisationsgabe ist er ein Sympathieträger - anders als der Deutsche, der nicht ausreisen kann. © Dreamworks LLC | Dreamworks LLC

Das Schicksal erinnert an den Film „Terminal“ mit Tom Hanks als gestrandeter Bürger eines nicht mehr existierenden Landes, der deshalb den Transitbereich eines Flughafens nicht verlassen darf. Doch während der Reisende im Hollywood-Streifen zu einem hilfreichen Geist wird und schnell Freunde findet, ist der Deutsche mehrfach unangenehm aufgefallen. Filmfigur Viktor Navorski im Film darf nicht ins Land, der Deutsche, laut Papieren in Delmenhorst geboren und 44 Jahre alt, konnte es nicht verlassen.

Schläge auf Bildern von Überwachungskamera

Bilder von Überwachungskameras des Flughafens zeigen, wie der Mann ohne erkennbaren Auslöser zu einer auf einer Sitzgruppe wartenden Frau geht. Einmal von rechts, einmal von links schlägt er ihr ins Gesicht und setzt sich ungerührt wieder an seinen Platz. Die Frau schaut völlig erstaunt, schüttelt sich, steht auf und geht.

Bei einem anderen Vorfall greift er eine Frau an, die mit männlicher Begleitung durch eine Tür kommt. Der Begleiter geht danach auf den Deutschen zu, lässt sich aber von dem fast zwei Meter großen Mann einschüchtern. Mindestens sieben solcher Übergriffe soll es gegeben haben.

Polizei sieht keine Handhabe

Nachdem durch einen Bericht des Senders „Globo“ bekannt wurde, dass ein Deutscher Frauen schlägt und dennoch unbehelligt weiter auf dem Flughafen lebt, schwappte die Empörung in Brasilien hoch: Die Ausländer dürfen sich scheinbar alles erlauben, heißt es in Kommentaren in Pegida-Manier. Meistgelikter Kommentar auf der Facebookseite von Globo: „Wenn das ein Brasilianer in Frankfurt machen würde...“

Ein hochrangiger Vertreter der Polizei sagte laut Magazin „Veja Sao Paulo“, es gebe keine Handhabe. Sicherheitskräfte hätten zwar betroffene Frauen ausfindig machen können. Denen war die Strafverfolgung aber nicht so wichtig wie der Abflug ihrer Maschinen. Ohne Anzeigen der Betroffenen sei wenig möglich.

Am Freitag in Polizeistation gebracht worden

Terminal 2 am Flughafen São Paulo-Guarulhos: Hier lebt seit Dezember ein Deutscher und ist dabei mehrfach durch Handgreiflichkeiten aufgefallen.
Terminal 2 am Flughafen São Paulo-Guarulhos: Hier lebt seit Dezember ein Deutscher und ist dabei mehrfach durch Handgreiflichkeiten aufgefallen. © Gleb Osokin/Russian AviaPhoto Team CC BY-SA 3.0 | Gleb Osokin/Russian AviaPhoto Team CC BY-SA 3.0

Der Fall hat dann aber eine Wendung genommen: Weil der Mann seit mehr als 90 Tagen im Land ist, kann er abgeschoben werden. Die Behörden hatten ihm eine Frist gesetzt, innerhalb von acht Tagen auszureisen. Am Sonntag wird er nun in einen Flieger nach Deutschland gesetzt, wie dpa am Samstag erfuhr. „Er befindet sich derzeit in der Polizeistation des Flughafens Guarulhos“, sagte ein Sprecher der Zivilpolizei demnach. Der Mann sei am Freitag hierhin gebracht worden, um weitere Attacken zu vermeiden. Ihn würden beim Flug zurück Polizisten aus Deutschland begleiten. Der Deutsche habe psychische Probleme und habe zuletzt keine Medikamente mehr gehabt.

Nach brasilianischen Berichten hatten örtliche Stellen auch Fluggesellschaften dazu bewegen wollen, den Mann ohne entsprechendes Ticket mitzunehmen. Vergebens. Die Airlines wollten den aggressiven Mann demnach nicht ohne Polizeibegleitung im Flieger mitnehmen.

Generalkonsulat stand in Kontakt

Das Auswärtigen Amt in Berlin hatte am Donnerstag unserer Redaktion erklärt, das Deutsche Generalkonsulat Sao Paulo stehe in engem Kontakt mit dem Betroffenen und den zuständigen brasilianischen Behörden. Der Flughafen hatte keinen Kommentar zur Frage abgeben wollen, ob man sich von Deutschland mehr Unterstützung erhofft hatte.