Traunstein. Der verurteilte Fahrdienstleiter von Bad Aibling darf auf eine frühere Entlassung hoffen. Dann wäre er im Sommer 2018 ein freier Mann.

Der im Prozess um das Zugunglück von Bad Aibling verurteilte Fahrdienstleiter muss voraussichtlich nicht die gesamte Zeit im Gefängnis absitzen. Er darf wie andere Häftlinge auf eine vorzeitige Entlassung hoffen, wie es in Justizkreisen am Dienstag hieß. Die achtmonatige Untersuchungshaft wird ihm angerechnet. Der Ex-Bahnmitarbeiter war am Montag vom Landgericht Traunstein wegen fahrlässiger Tötung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung erwägt, in Revision zu gehen. Der Schuldspruch müsste dann vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe überprüft werden. Beim Zusammenstoß zweier Züge am 9. Februar in dem oberbayerischen Kurort starben 12 Menschen, fast 90 wurden verletzt.

Vorzeitige Entlassung ist üblich

Die vorzeitige Haftentlassung ist im Paragraph 57 des Strafgesetzbuches geregelt. Oft wird Häftlingen das letzte Drittel der Strafe erlassen. Schon nach der Hälfte der Zeit kann nur ein Ersttäter in Freiheit kommen, der zu maximal zwei Jahren verurteilt wurde oder wenn „die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen“.

Diese Oder-Bestimmung wurde auf den Steuersünder und FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß angewendet, der zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war.

Halbstrafenregelung greift wohl nicht

Kenner des Strafvollzuges zweifeln daran, dass der Fahrdienstleiter von Bad Aibling in den Genuss der Halbstrafenregelung kommt. Am Landgericht Traunstein wird auf den ähnlich gelagerten Fall der Brandkatastrophe von Schneizlreuth nahe Bad Reichenhall mit sechs Toten verwiesen.

Dieselbe Strafkammer hatte einen Mann zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil dieser Urlauber in einem Bauernhof ohne ausreichenden Brandschutz hatte übernachten lassen. Auch ihm wurde die Halbstrafenregelung nicht zugestanden.

Abgelenkt durch Spiele am Handy

Strafvollzugsexperten verwiesen darauf, dass sowohl beim Zugunglück von Bad Aibling als auch bei dem Brand in Schneizlreuth Menschen durch die Unachtsamkeit der Verurteilten starben. „Das ist nicht wiedergutzumachen“, sagte ein Insider am Landgericht.

Schließlich habe der Fahrdienstleiter den Auftrag gehabt, Zuginsassen vor einer Gefährdung zu schützen. Stattdessen verursachte er das verheerende Unglück, indem er – noch dazu abgelenkt durch verbotenes Spielen am Handy – mehrere Signale falsch stellte.

Das schwere Zugunglück von Bad Aibling

Bei einem der schwersten Zugunglücke in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands wurden am 9. Februar 2016 zwölf Menschen getötet und fast 90 Insassen teils lebensgefährlich verletzt.
Bei einem der schwersten Zugunglücke in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands wurden am 9. Februar 2016 zwölf Menschen getötet und fast 90 Insassen teils lebensgefährlich verletzt. © dpa | Peter Kneffel
Das Unglück ereignete sich um 6.48 Uhr in der Nähe von Bad Aibling im Landkreis Rosenheim.
Das Unglück ereignete sich um 6.48 Uhr in der Nähe von Bad Aibling im Landkreis Rosenheim. © dpa | Peter Kneffel
Zwei Züge des privaten „Meridian“, der von der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) betrieben wird, stießen frontal zusammen.
Zwei Züge des privaten „Meridian“, der von der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) betrieben wird, stießen frontal zusammen. © dpa | Peter Kneffel
Der Fahrdienstleiter musste sich vom 10. November an wegen fahrlässiger Tötung vor dem Landgericht Traunstein verantworten.
Der Fahrdienstleiter musste sich vom 10. November an wegen fahrlässiger Tötung vor dem Landgericht Traunstein verantworten. © dpa | Uwe Lein
Er soll bis kurz vor dem Unfall auf seinem Handy ein Computerspiel gespielt haben und dadurch abgelenkt gewesen sein, wie ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft.
Er soll bis kurz vor dem Unfall auf seinem Handy ein Computerspiel gespielt haben und dadurch abgelenkt gewesen sein, wie ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft. © dpa | Peter Kneffel
Dutzende Rettungskräfte eilten binnen kurzer Zeit an den Unglücksort. Die betroffene Strecke wurde komplett gesperrt.
Dutzende Rettungskräfte eilten binnen kurzer Zeit an den Unglücksort. Die betroffene Strecke wurde komplett gesperrt. © dpa | Peter Kneffel
Das Unglück geschah auf eingleisiger Strecke.
Das Unglück geschah auf eingleisiger Strecke. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
Kränze, Kerzen und Blumen nahe der Unglücksstelle.
Kränze, Kerzen und Blumen nahe der Unglücksstelle. © dpa | Peter Kneffel
Auf einer Länge von bis zu 120 Metern mussten Schienen und Schwellen teils erneuert werden. Die eingleisige Strecke blieb mehrere Tage gesperrt.
Auf einer Länge von bis zu 120 Metern mussten Schienen und Schwellen teils erneuert werden. Die eingleisige Strecke blieb mehrere Tage gesperrt. © dpa | Peter Kneffel
Ein Betroffener hängte an der Unglücksstelle eine Kerze an einen Baum.
Ein Betroffener hängte an der Unglücksstelle eine Kerze an einen Baum. © dpa | Uwe Lein
Am 12. Februar 2016 trug ein Polizist eine Steuereinheit (l.) und ein elektronisches Bauteil (r.) aus einem der zwei verunglückten Regionalzüge.
Am 12. Februar 2016 trug ein Polizist eine Steuereinheit (l.) und ein elektronisches Bauteil (r.) aus einem der zwei verunglückten Regionalzüge. © dpa | Peter Kneffel
Einsatzkräfte suchten an der Unfallstelle der Regionalzüge mit Hochdruck nach der dritten Blackbox. Diese ist am 12. Februar gefunden worden.
Einsatzkräfte suchten an der Unfallstelle der Regionalzüge mit Hochdruck nach der dritten Blackbox. Diese ist am 12. Februar gefunden worden. © dpa | Peter Kneffel
Blick auf die Unfallstelle der Züge am Morgen des 11. Februar. Die Unglücksstelle lag in einem Waldstück an einer Hangkante, die steil zu einem Kanal abbricht, und war nur schwer zu erreichen.
Blick auf die Unfallstelle der Züge am Morgen des 11. Februar. Die Unglücksstelle lag in einem Waldstück an einer Hangkante, die steil zu einem Kanal abbricht, und war nur schwer zu erreichen. © dpa | Peter Kneffel
Angehörige und Mitglieder von Rettungsdiensten nahmen am 14. Februar in Bad Aibling an einem ökumenischen Gottesdienst für die Angehörigen der Opfer des Zugunglücks und für die Rettungs- und Hilfskräfte teil.
Angehörige und Mitglieder von Rettungsdiensten nahmen am 14. Februar in Bad Aibling an einem ökumenischen Gottesdienst für die Angehörigen der Opfer des Zugunglücks und für die Rettungs- und Hilfskräfte teil. © dpa | Uwe Lein
Kardinal Reinhard Marx und Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, die Ständige Vertreterin des Landesbischofs, spendeten in der Kirche Sankt Georg Trost.
Kardinal Reinhard Marx und Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, die Ständige Vertreterin des Landesbischofs, spendeten in der Kirche Sankt Georg Trost. © dpa | Uwe Lein
Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU, r.), Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU, Mitte) und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU, l.) nahmen ebenfalls an dem Gottesdienst teil.
Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU, r.), Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU, Mitte) und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU, l.) nahmen ebenfalls an dem Gottesdienst teil. © dpa | Uwe Lein
Ein Tag nach dem schrecklichen Zugunglück wurden Kränze niedergelegt. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU, l.) und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen, 2. v.l.) gedachten der Opfer.
Ein Tag nach dem schrecklichen Zugunglück wurden Kränze niedergelegt. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU, l.) und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen, 2. v.l.) gedachten der Opfer. © dpa | Bayerische Staatskanzlei
Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn, hatte am Rathaus in Bad Aibling ein Statement an die Medienvertreter abgegeben. „Wir sind tief bestürzt über den Unfall. Den Verletzten und den Angehörigen der Unfallopfer gehört unser tiefes Mitgefühl. Ich habe bereits der Bayerischen Oberlandbahn GmbH meine Betroffenheit zum Ausdruck gebracht. Selbstverständlich unterstützen wir die ermittelnden Behörden bei der Aufklärung der Unfallursache. Ich möchte den Rettungskräften und allen Helfern vor Ort für ihren schweren Einsatz ausdrücklich danken.“
Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn, hatte am Rathaus in Bad Aibling ein Statement an die Medienvertreter abgegeben. „Wir sind tief bestürzt über den Unfall. Den Verletzten und den Angehörigen der Unfallopfer gehört unser tiefes Mitgefühl. Ich habe bereits der Bayerischen Oberlandbahn GmbH meine Betroffenheit zum Ausdruck gebracht. Selbstverständlich unterstützen wir die ermittelnden Behörden bei der Aufklärung der Unfallursache. Ich möchte den Rettungskräften und allen Helfern vor Ort für ihren schweren Einsatz ausdrücklich danken.“ © dpa | Matthias Balk
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer machte sich auch persönlich ein Bild von der Unglücksstelle.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer machte sich auch persönlich ein Bild von der Unglücksstelle. © dpa | Peter Kneffel
Er zeigte sich erschüttert. „Eine Tragödie für das ganze Land, Bayern trauert“, sagte er. „Es ist eine schwere Zeit für uns alle.“
Er zeigte sich erschüttert. „Eine Tragödie für das ganze Land, Bayern trauert“, sagte er. „Es ist eine schwere Zeit für uns alle.“ © Getty Images | Lennart Preiss
Mitarbeiter des Roten Kreuzes standen fassungslos vor den Trümmern der Unglückszüge.
Mitarbeiter des Roten Kreuzes standen fassungslos vor den Trümmern der Unglückszüge. © dpa | Sven Hoppe
Unmittelbar an der Zugtrasse postierten sich die Helfer von Feuerwehr und Rettungsdienst. Einige der zahlreichen Verletzten wurden direkt vor Ort versorgt.
Unmittelbar an der Zugtrasse postierten sich die Helfer von Feuerwehr und Rettungsdienst. Einige der zahlreichen Verletzten wurden direkt vor Ort versorgt. © dpa | Sven Hoppe
Die Unglücksstelle befand sich an einem Ort, der für die Helfer nicht leicht zugänglich war. Es war für die Einsatzkräfte nicht einfach, die Verletzten aus den teilweise stark deformierten Waggons zu bergen.
Die Unglücksstelle befand sich an einem Ort, der für die Helfer nicht leicht zugänglich war. Es war für die Einsatzkräfte nicht einfach, die Verletzten aus den teilweise stark deformierten Waggons zu bergen. © REUTERS | MICHAEL DALDER
Die Verletzten wurden sofort nach der Bergung medizinisch versorgt.
Die Verletzten wurden sofort nach der Bergung medizinisch versorgt. © REUTERS | MICHAEL DALDER
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gab nahe der Unglücksstelle ein Interview. Er sei in Gedanken bei den Opfern. Es handele sich um eine schreckliche Katastrophe.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gab nahe der Unglücksstelle ein Interview. Er sei in Gedanken bei den Opfern. Es handele sich um eine schreckliche Katastrophe. © Getty Images | Jan Hetfleisch
Gemeinsam mit dem bayerischen CSU-Innenminister Joachim Herrmann (Mitte) besuchte Dobrindt (l.) den Unglücksort.
Gemeinsam mit dem bayerischen CSU-Innenminister Joachim Herrmann (Mitte) besuchte Dobrindt (l.) den Unglücksort. © REUTERS | MICHAEL DALDER
Hubschrauber flogen Verletzte in die umliegenden Krankenhäuser.
Hubschrauber flogen Verletzte in die umliegenden Krankenhäuser. © dpa | Uwe Lein
„Die Hilfeleistung steht an erster Stelle“, sagte der Sprecher der Feuerwehr.
„Die Hilfeleistung steht an erster Stelle“, sagte der Sprecher der Feuerwehr. © Getty Images | Jan Hetfleisch
Es ist das schlimmste Zugunglück in Deutschland seit fünf Jahren, sagte ein Polizeisprecher.
Es ist das schlimmste Zugunglück in Deutschland seit fünf Jahren, sagte ein Polizeisprecher. © REUTERS | STRINGER
Das Unglück ereignete sich an einer schwer zugänglichen Stelle.
Das Unglück ereignete sich an einer schwer zugänglichen Stelle. © dpa | Sven Hoppe
Parallel zur Bahnstrecke fließt der Fluss Mangfall, der den Transport von Hilfsgeräten erleichterte.
Parallel zur Bahnstrecke fließt der Fluss Mangfall, der den Transport von Hilfsgeräten erleichterte. © REUTERS | MICHAEL DALDER
Die Bergungsarbeiten liefen schnell an.
Die Bergungsarbeiten liefen schnell an. © dpa | Paul Winterer
Es galt, an die hundert Verletzte zu versorgen.
Es galt, an die hundert Verletzte zu versorgen. © dpa | Paul Winterer
Acht Rettungshubschrauber waren im Einsatz.
Acht Rettungshubschrauber waren im Einsatz. © REUTERS | MICHAEL DALDER
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Womöglich ab Sommer 2017 Freigänger

Wegen der gravierenden Folgen seiner fahrlässigen Handlung darf der Fahrdienstleiter also lediglich darauf hoffen, dass ihm das letzte Drittel seiner Haft zur Bewährung erlassen wird – das wären 14 Monate. Unter Einbeziehung der am 11. April begonnenen Untersuchungshaft könnte der Familienvater im August 2018 frei sein – kurz nach seinem 42. Geburtstag.

Freigänger dürfte er indessen deutlich früher werden. Womöglich in der zweiten Hälfte 2017, so vermuten Justizkreise, könnte der Mann tagsüber außerhalb des Gefängnisses einer Beschäftigung nachgehen. Bei der Deutschen Bahn bekommt der heute 40-Jährige freilich keine Arbeit mehr. Zum Schlafen müsste er jeden Abend ins Gefängnis zurückkehren. Pro Jahr können ihm 21 Tage Urlaub gewährt werden, vorausgesetzt, er lässt sich in der Haft nichts zuschuldenkommen. (dpa)