Madrid. Vom Polizisten-Sohn zur Musik-Ikone: José Carreras hat in seinem Leben Höhen und Tiefen überstanden. Nun wird der Tenor 70 Jahre alt.

José Carreras kann es auch im rüstigen Rentenalter nicht lassen: Der spanische Startenor stand am Abend vor seinem 70. Geburtstag (5. Dezember) mehr als 10.000 Kilometer von seiner Heimat entfernt in Tokio auf der Bühne. Damit er am Montag im Kreise der Familie die Kerzen auspusten kann, sind Kinder und Enkel dem Opa hinterher gereist.

Carreras freut sich. „Es ist wundervoll, dass ich in diesem Alter noch arbeiten und meine Gefühle durch die Musik transportieren kann“, sagte der Sänger, der vor drei Jahrzehnten eine Leukämie überwand, der Deutschen Presse-Agentur im Interview.

Abschiedstournee in Deutschland

Aufhören will er nicht. Aber der schicksalerprobte Carreras weiß – vielleicht besser als manch anderer – dass „auch die wunderbarsten Dinge im Leben irgendwann enden“ müssen. Er startete deshalb im Oktober in Deutschland eine internationale Abschiedstournee, die „zwei oder drei Jahre“ dauern soll.

Weihnachten und Neujahr wird er zum Beispiel in China auftreten. Karten gibt es für diese Konzerte kaum noch. Der Polizisten-Sohn, der im Friseurladen seiner Mutter die Kundinnen mit seiner Stimme erfreute und dafür ein paar Münzen und viel Lob bekam, ist zu einer weltweiten Musik-Ikone geworden.

In Schule trällerte er ständig Opernstücke

1947 in Barcelona geboren, begeisterte sich Klein-José schon als Sechsjähriger für die Oper, nachdem er mit seinem Vater im Kino den Film „Der große Caruso“ mit Mario Lanza gesehen hatte. In der Schule trällerte er ständig Opernstücke, weshalb die Kollegen ihn in Anlehnung an die Giuseppe-Verdi-Oper „Rigoletto„ nannten. Obwohl sie von Musik wenig Ahnung hatten, förderten die Eltern das Talent ihres Sohnes und schickten ihn aufs Konservatorium. Als 11-Jähriger sang Carreras eine kleine Rolle in der Oper seiner Heimatstadt.

José Carreras feiert 70. Geburtstag

Er gehört zu den bekanntesten Tenören der Welt: José Carreras. Der spanische Opernsänger feiert am Montag seinen 70. Geburtstag.
Er gehört zu den bekanntesten Tenören der Welt: José Carreras. Der spanische Opernsänger feiert am Montag seinen 70. Geburtstag. © dpa | Klaus-Dietmar Gabbert
Der Startenor wurde am 5. Dezember 1946 geboren und ist seit den 70er Jahren auf den großen Opernbühnen dieser Welt zu Hause.
Der Startenor wurde am 5. Dezember 1946 geboren und ist seit den 70er Jahren auf den großen Opernbühnen dieser Welt zu Hause. © REUTERS | REUTERS / Anwar Mirza
Derzeit verabschiedet sich Carreras mit einer langen Tournee von seinen Fans – die Bühnenkarriere des Startenors neigt sich langsam dem Ende entgegen.
Derzeit verabschiedet sich Carreras mit einer langen Tournee von seinen Fans – die Bühnenkarriere des Startenors neigt sich langsam dem Ende entgegen. © dpa | Wolfgang Kluge
Auf die Frage, warum er sich zurückziehen wolle, antwortete Carreras im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: „Das will ich ja gar nicht. Ich habe gesagt, ich gebe mir zwei, drei Jahre, um das zu beenden, was ich 1970 angefangen habe. Früher oder später haben auch die wunderbarsten Dinge im Leben ein Ende, und mein Berufsleben muss einfach irgendwann enden. Ich versuche, dieses Ende so zu erreichen, dass es kein allzu großer Schock für mich ist. Langsam, langsam. Unter der Dusche werde ich auf jeden Fall weitersingen. Das ist sicher.“ Diese Aufnahme zeigt seinen Auftritt am 26. Oktober 1985 in der ZDF-Sendung „Wetten, dass..?“.
Auf die Frage, warum er sich zurückziehen wolle, antwortete Carreras im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: „Das will ich ja gar nicht. Ich habe gesagt, ich gebe mir zwei, drei Jahre, um das zu beenden, was ich 1970 angefangen habe. Früher oder später haben auch die wunderbarsten Dinge im Leben ein Ende, und mein Berufsleben muss einfach irgendwann enden. Ich versuche, dieses Ende so zu erreichen, dass es kein allzu großer Schock für mich ist. Langsam, langsam. Unter der Dusche werde ich auf jeden Fall weitersingen. Das ist sicher.“ Diese Aufnahme zeigt seinen Auftritt am 26. Oktober 1985 in der ZDF-Sendung „Wetten, dass..?“. © imago | teutopress
Unvergessen: Gemeinsam mit Placido Domingo (l.) und Luciano Pavarotti (r.) feierte Carreras große Erfolge. Diese Aufnahme zeigt einen Auftritt am 24. August 1996 im Düsseldorfer Rheinstadion. Das Trio trat anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in den römischen Caracalla-Thermen erstmals gemeinsam auf.
Unvergessen: Gemeinsam mit Placido Domingo (l.) und Luciano Pavarotti (r.) feierte Carreras große Erfolge. Diese Aufnahme zeigt einen Auftritt am 24. August 1996 im Düsseldorfer Rheinstadion. Das Trio trat anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in den römischen Caracalla-Thermen erstmals gemeinsam auf. © REUTERS | REUTERS / Ethan Miller
Seit 2004 ist Carreras Träger des Großen Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Damit wurde sein langjähriges und engagiertes Wirken im Kampf gegen Leukämie gewürdigt. Carreras, der 1987 selbst an Leukämie erkrankt war und die Krankheit überwand, widmet sich der Bekämpfung der Leukämie seit 1988 und gründete 1995 die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung.
Seit 2004 ist Carreras Träger des Großen Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Damit wurde sein langjähriges und engagiertes Wirken im Kampf gegen Leukämie gewürdigt. Carreras, der 1987 selbst an Leukämie erkrankt war und die Krankheit überwand, widmet sich der Bekämpfung der Leukämie seit 1988 und gründete 1995 die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung. © imago | Andreas Weihs
In der Vorweihnachtszeit wird seit dem 22. Dezember 1995 die jährlich die „José Carreras Gala“ im Fernsehen ausgestrahlt. Prominente Künstler treten bei der Benefizgala ohne Gage auf, Zuschauer spenden per Telefon, um die Carreras Stiftung und damit die Leukämieforschung zu unterstützen. Désirée Nosbusch (l.) moderierte die Gala 2011.
In der Vorweihnachtszeit wird seit dem 22. Dezember 1995 die jährlich die „José Carreras Gala“ im Fernsehen ausgestrahlt. Prominente Künstler treten bei der Benefizgala ohne Gage auf, Zuschauer spenden per Telefon, um die Carreras Stiftung und damit die Leukämieforschung zu unterstützen. Désirée Nosbusch (l.) moderierte die Gala 2011. © Future Image
José Carreras bedankte sich 1995 bei der spanischen Sopranistin Montserrat Caballé für ihren Auftritt der ersten TV-Benefizgala in Leipzig.
José Carreras bedankte sich 1995 bei der spanischen Sopranistin Montserrat Caballé für ihren Auftritt der ersten TV-Benefizgala in Leipzig. © dpa | Wolfgang Kluge
Carreras stand in seiner langen Karriere auch immer mit vielen Kollegen gemeinsam auf der Bühne. Udo Jürgens (r.) begleitete ihn 1985 am Flügel.
Carreras stand in seiner langen Karriere auch immer mit vielen Kollegen gemeinsam auf der Bühne. Udo Jürgens (r.) begleitete ihn 1985 am Flügel. © imago | teutopress
Der Tenor war zweimal verheiratet und ist Vater von Sohn Alberto und Tochter Julia. An seinem 70. Geburtstag wird er auf der Bühne stehen.
Der Tenor war zweimal verheiratet und ist Vater von Sohn Alberto und Tochter Julia. An seinem 70. Geburtstag wird er auf der Bühne stehen. © Getty Images | Sean Gallup
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Von da an ging es mit dem späteren Mitbegründer der legendären „Drei Tenöre“ rapide bergauf. Die Pläne, Chemiker zu werden, wurden kurz nach Aufnahme des Studiums ad acta gelegt. 1970 feierte Carreras in Barcelona mit 24 Jahren sein Debüt als Profisänger. Die katalanische Landsfrau Montserrat Caballé, die damals schon als beste Sopranistin der Welt galt, erkannte seine Begabung und wurde zu einer Art Mentorin. Ebenso wie Stardirigent Herbert von Karajan, mit dem Carreras in den nächsten Jahrzehnten eng zusammenarbeiten sollte.

Gefühlvolle Ausdruckskraft

Die Welt lag dem Spanier bald zu Füßen. Der schmale Tenor mit dem schüchternen Lächeln trat Mitte der 1970er Jahre unter anderem in der Metropolitan Opera von New York, im Londoner Covent Garden und in der Wiener Staatsoper auf. An der Donau riss er 1977 in Zusammenarbeit mit Karajan das Publikum als Rudolf in Puccinis „La Bohème“ 35 Minuten lang zu Beifallsstürmen hin.

Carreras begeisterte mit dem besonderen Timbre, der gefühlvollen Ausdruckskraft und Verletzlichkeit seiner Stimme, mit seiner außerordentlichen Beherrschung des dramatischen Registers. Und auch und vor allem mit seiner persönlichen Ausstrahlung. Carreras verriet, dass Karajan ihm einmal gesagt habe: „Weißt Du, warum du so gut bist? Weil jeder Opernbesucher glaubt, du singst nur für ihn alleine.“

Nach Krankheit erreicht Karriere Meilensteine

Auf dem Gipfel des Erfolgs im Sommer 1987 dann der Schock: Carreras hat Blutkrebs. Die Karriere schien zu Ende, schlimmer noch: Die Überlebenschancen galten als gering, die Ärzte schrieben ihn ab. Nach einer Knochenmarktransplantation konnte er die Krankheit doch besiegen. 1988 gründete er die Carreras-Stiftung, um Geld im Kampf gegen Leukämie zu sammeln. Bei seinen alljährlichen TV-Benefizshows in Deutschland kamen schon unzählige Millionen zusammen – und Tausende neuer Fans hinzu. Am 14. Dezember überträgt Sat.1 Gold die 22. Gala unter anderem mit Chris de Burgh, Maite Kelly und Milow.

Für Carreras ist die Krankheit immer noch präsent. Aber nicht nur als etwas Negatives. „Ich denke, ein Mensch, der in seinem Leben solch harte Momente hat, wird reifer und hat andere Ansichten und Prioritäten“, sagt der Mann, dessen Mutter an Krebs starb, als er erst 17 war. Nach der Leukämie erreichte Carreras' Karriere noch Meilensteine. Etwa 1990, als der Verdi- und Puccini-Interpret als einer der „Drei Tenöre“, gemeinsam mit dem Italiener Luciano Pavarotti und seinem spanischen Landsmann Plácido Domingo, durch einen Auftritt bei der Fußball-WM 1990 in Rom einem breiteren Publikum bekannt wurde.

Standing Ovations und Bravorufe

Viele Kritiker klagen, Carreras' Stimme sei heute nur noch ein Abglanz früherer Tage. Bei seinem Comeback auf der Opernbühne nach mehr als acht Jahren wurde der Startenor aber erst 2014 in Bilbao bei der Weltpremiere der Oper „El Juez“ (Der Richter) des österreichischen Komponisten Christian Kolonovits als Titelheld mit Standing Ovations und lauten Bravorufen gefeiert. Der stets bescheiden auftretende Spanier hat zudem immer noch „ranghohe“ Fans. Der mexikanische Startenor Rolando Villazón (44) sagte: „Wenn ein Sänger mich bewegt, dann José Carreras. Sein Gesang, sein Stil sind für mich vorbildlich.“ (dpa)