Hamburg. Nach zehn Jahren Bauzeit und einem Bauskandal eröffnet am Wochenende die Elbphilharmonie mit zwei Konzertsälen und 45 Luxuswohnungen.

Sieben Stockwerke hoch, an die 70 Meter breit: So groß strahlten die sechs Buchstaben über Hamburg: „FERTIG“. Es war nur ein Wort, doch es kam einer Erlösung gleich. Die Elbphilharmonie ist fertig. Nach fast zehn Jahren Bauzeit und einem für die Hansestadt beispiellosen Bauskandal endlich von Hochtief übergeben. Und das letztlich pünktlich und zum vereinbarten Preis. Nachdem sich die Kosten für die Stadt von 2005 bis 2013 von 77 auf 789 Millionen Euro verzehnfacht hatten, blieb es am Ende dabei.

An diesem Wochenende öffnet die Plaza, jene fußballfeldgroße Aussichtsplattform mit Rundumblick auf die Stadt und den Hafen. Sie bildet in 37 Meter Höhe die Verbindung zwischen dem historischen Kakaospeicher und dem darauf errichteten, spektakulären Neubau mit zwei Konzertsälen, 45 Luxuswohnungen und einem Hotel.

Stadt rechnet mit einem gigantischen Ansturm

Die Stadt rechnet mit einem gigantischen Ansturm, auch aus dem Ausland. Gesteigert wird das nur noch von der Hysterie um die feierliche Eröffnung mit dem ersten Konzert am 11. Januar. Hamburgs früherer Bürgermeister Ole von Beust (CDU) ließ es sich am Tag der Übergabe nicht nehmen, auf seine Entscheidung für das Projekt hinzuweisen und bekannte scherzend, er warte „gierig“ auf eine Einladung zur Eröffnung.

Als von Beust 2010 amtsmüde zurücktrat, hatten sich diese Euphorie nur Optimisten erhofft. Die Elbphilharmonie galt neben dem Berliner Flughafen BER und dem Bahnprojekt Stuttgart 21 bundesweit als Symbol für Hybris und Steuerverschwendung. Anders als in Berlin und Stuttgart hat das Konzerthaus aber nie eine größere Gegenbewegung ausgelöst, es blieb bei vereinzelten Protesten. Vielleicht liegt es daran, dass es, anders als oft dargestellt, kein politisches Projekt ist, sondern auch und vor allem auf Musikleidenschaft fußt.

Ein Konzertsaal im alten Hafenspeicher

Es waren der Projektentwickler Alexander Gérard und seine Frau Jana Marko, die 2001 die Idee hatten, einen Konzertsaal in den alten Hafenspeicher zu bauen. Privat finanziert. Beim Beust-Senat blitzten die beiden Klassikfans jedoch ab. Erst als Gérard 2003 den atemberaubenden Entwurf der Schweizer Stararchitekten Herzog & de Meuron präsentierte, drehte sich die Stimmung. Architekten, Kunstschaffende, Medien und Mäzene forderten: Baut dieses Konzerthaus! Nun ließ sich auch die Politik, inklusive Bürgermeister, von der Begeisterung mitreißen.

Der CDU-Senat zahlte Gérard und Marko aus und trieb die Elbphilharmonie als rein städtisches Projekt voran, mit dem klaren Ziel, „eines der zehn besten Konzerthäuser der Welt“ zu bekommen. Und mit zwei verhängnisvollen Fehlern. Obwohl die Pläne nicht fertig waren, wurde 2007 mit dem Bau begonnen. Dadurch wurde das zweite Problem offensichtlich: Die Stadt hatte getrennte Verträge mit Hochtief und mit Herzog & de Meuron, die zwei Hauptakteure hatten gar kein Vertragsverhältnis zueinander. Es gab nicht einmal abgestimmte Terminpläne.

Olaf Scholz fand eine Chaos-Baustelle vor

In diesem Bermudadreieck schaukelte sich jede Mücke zu einem Elefanten hoch, jedes noch so kleine Problem musste durch die Stadt gelöst werden, die damit fachlich und personell völlig überfordert war. Auch dutzende Krisengipfel und vier finanzielle Nachschläge änderten nichts an dem Grundproblem: Der Bau kam nur schleppend voran, die Kosten stiegen weiter.

Als Olaf Scholz Anfang 2011 ins Amt kam, fand er eine Chaos-Baustelle vor. Der ausgebuffte Sozialdemokrat hatte zunächst Hochtief als bösen Buben ausgemacht und versuchte es auf die harte Tour. Erfolg? Null. Hochtief beharrte auf seinen Forderungen und legte die Baustelle komplett lahm.

2013 gab es einen völlig neuen Vertrag

Scholz musste erkennen, dass die Wurzel allen Übels tiefer liegt. So setzte der Bürgermeister 2013 einen völlig neuen Vertrag durch: Hochtief ist seitdem alleiniger Auftragnehmer und trägt alle Risiken, die Architekten sind nur noch Subunternehmer. Beide bekommen noch einmal mehr Geld, müssen aber alle Probleme unter sich lösen.

Das wirkte: Alle weiteren Termine wurden eingehalten. Und so ging, pünktlich am 31. Oktober 2016, in 120 Fenstern der Elbphilharmonie das Licht an: „FERTIG“.