Berlin. Die Attacken von Grusel-Clowns häufen sich. Der Psychologe Jürgen Margraf weiß, was sie treibt und warum sie uns solche Angst einjagen.

Es ist ein schauriges Phänomen: Grusel-Clowns in unheimlichen Maskeraden lauern Passanten auf, erschrecken sie oder greifen sogar an. Begonnen hat es in den USA, inzwischen gibt es auch in Deutschland immer mehr Fälle.

Zuletzt wurde am Donnerstag ein 19-Jähriger in Rostock mit einem Baselballschläger verletzt. Ein 15-Jähriger konnte vor der Messerattacke eines Clowns flüchten – ebenfalls in Rostock. In Wesel erschreckte am selben Tag ein Clown eine 48-Jährige, indem er vor ihr mit einer Kettensäge in der Hand aus einem Gebüsch sprang. Was treibt die Clowns an?

Angst zu machen heißt, Macht auszuüben

„Jemanden zu erschrecken, ihm Angst einzuflößen, bedeutet, Macht über ihn auszuüben“, sagt Professor Jürgen Margraf. Er ist Leiter des Forschungs- und Behandlungszentrums für psychische Gesundheit an der Ruhr-Universität Bochum und Experte für das Thema Angst.

Gruse-Clowns lösen starke Reize beim Gegenüber aus, so Margraf. Angst sei eine Grundemotion, ein Überlebensmechanismus des Menschen: „In Zeiten der Massenmedien wird so ein Phänomen schnell zum Trend“, sagt der Fachmann für klinische Psychologie und Psychotherapie. Und dann lasse sich die Berichterstattung auch noch mit diesen schaurig-schönen Fotos bebildern – und finde so noch mehr Beachtung.

Besonders Kinder reagieren stark auf Clowns

Das Erscheinungsbild eines Clowns sei archetypisch: Es entspricht einem Urbild, das beim Menschen von Geburt an angelegt ist. Er fokussiert sich auf das Gesicht seines Gegenüber, das beim Clown sehr prägnant ausgebildet ist: Augen und Mund werden stark betont und scheinen größer, ein roter Punkt betont die Nase. All das zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich.

Ohnehin haben wir eine gespaltene Beziehung zu Clowns. Psychologen des Knox College aus Illinois in den USA haben kürzlich die Grusel-Wirkung von Clowns untersucht. Über 1300 Probanden nahmen an der Studie teil und wählten den Clown als meisten angsteinflößende Berufsgruppe. Was laut Studienergebnis vor allem an seiner Unberechenbarkeit liegt: „Menschen, die mit einem Clown interagieren, wissen nie, ob sie gleich eine Torte ins Gesicht bekommen oder Opfer eines erniedrigenden Streichs werden.“

Erwachsene geben sich gerne mal der „Angstlust“ hin

Auch Margraf sagt: „Weil sie sich schnell und erwartbar bewegen, reagieren Kinder sehr stark auf Clowns. Was als Witz gemeint ist, kann schnell zu Angst führen.“ Kinder können Angst noch nicht einordnen, während Erwachsene sie auch suchen und sich der „Angstlust“ hingeben. „Angst bedeutet immer Erregung“, sagt Margraf. „Manche Menschen streben nach dieser Erregung. Solange wir wissen, dass etwas nicht wirklich gefährlich ist, übt es einen Reiz auf uns aus.“ Echte Angst entstehe erst, wenn wir eine Situation nicht mehr kontrollieren können.

Margraf sieht dem Grusel-Trend entspannt entgegen. Die Horror-Clowns seien in den vergangenen Jahren schon häufiger aufgetaucht – und auch wieder verschwunden. Und echte Coulrophobie , also die krankhafte Panik vor Clowns, sei äußerst selten. Ihm selbst sei noch niemand mit einer solchen Erkrankung untergekommen.

Dieser Text erschien zuerst auf www.derwesten.de