Segeberg. Bürgermeister von Oersdorf in Schleswig-Holstein wurde seit Monaten bedroht. Grund sind wohl Aussagen zur Aufnahme von Flüchtlingen.

Vermutlich aus Fremdenfeindlichkeit ist der Bürgermeister von Oersdorf in Schleswig-Holstein am Donnerstagabend niedergeschlagen worden. Wie ein Polizeisprecher sagte, schlug ein Unbekannter Joachim Kebschull kurz nach 19 Uhr, unmittelbar vor einer Sitzung des Bauausschusses, von hinten mit einem Knüppel oder einem Kantholz auf den Kopf. Der Bürgermeister war noch einmal zu seinem Auto gegangen, um einen Laptop zu holen. Als er sich in seinen Wagen beugte, wurde er von dem unbekannten Täter angesprochen und kurz darauf niedergeschlagen.

Staatsschutz ermittelt wegen mehrerer Drohbriefe

Der 61-Jährige verlor das Bewusstsein und erlitt leichte Verletzungen, ein Notarzt versorgte ihn, anschließend wurde er in ein Krankenhaus gebracht. Der Täter floh unerkannt. Noch am Abend konnte der Bürgermeister der Gemeinde im Kreis Segeberg Polizisten den Tathergang schildern. Die Polizei geht von einem Zusammenhang der Tat mit Aussagen Kebschulls über die geplante Aufnahme von Flüchtlingen aus. Bereits seit Juli ermittelt der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz, weil seitdem mehrere Drohbriefe bei dem Bürgermeister und dem Gemeindehaus eingegangen waren.

Polizisten sollten Bürgermeister schützen

Noch am Donnerstag hatte der Bürgermeister nach Polizeiangaben einen Drohbrief erhalten – mit den Worten: „Wer nicht hören will, muss fühlen“ und „Oersdorf den Oersdorfern“. Deshalb waren sechs Polizisten dafür zuständig, die Sitzung des Bauausschusses, dessen Vorsitzender Kebschull ist, zu sichern. So wurden laut Polizei beispielsweise Taschen kontrolliert. Allerdings parkte der Bürgermeister außerhalb des Sichtbereichs der Beamten, die somit die Tat nicht beobachteten.

Nach Angaben der Oersdorfer Wählervereinigung (OeWW), der der Bürgermeister angehört, mussten wegen Bombendrohungen bereits zweimal die Sitzungen des Bauausschusses ausfallen. Hintergrund der Einschüchterungsversuche ist die Überlegung, Flüchtlinge in ein Haus im Ort einziehen zu lassen.

Pläne für Flüchtlingswohnung offenbar vom Tisch

Es geht um Haus der Gemeinde, das saniert werden soll und in der vier Wohnungen eingerichtet werden sollen. Diese seien vor allem für Familien und Senioren gedacht, sagte Ute Grommes, Vorsitzende der Wählervereinigung. "Für die kurzfristige Nutzung möchte sich die OeWV dafür einsetzen, dass Flüchtlingen eine neue Heimat im Dorf gegeben werden kann", heißt es in einer Pressemitteilung vom August. Diese Pläne sind laut Ute Grommes jedoch nicht mehr aktuell, da kein Bedarf mehr an Flüchtlingswohnungen bestehe. Bei der Sitzung des Bauauschusses am Donnerstag sollte die Architektin die Pläne für den Umbau vorstellen — was sie nach der Attacke auf den Bürgermeister auch in tat. "Wir lassen uns nicht mehr einschüchtern", so Ute Grommes.

Der Bürgermeister hat nach Informationen des Abendblattes eine leichte Gehirnerschütterung erlitten und ist zurzeit noch zur Beobachtung im Krankenhaus. Die Polizei nimmt Hinweise, die im Zusammenhang mit dem Überfall stehen, jederzeit unter der Telefonnummer 0431/1603333 entgegen.