Tübingen. Gegner der GEZ-Nachfolgeorganisation jubeln über eine Entscheidung des Landgerichts Tübingen. Doch sie dürften wohl zu früh jubeln.

Wer sich weigert, seinen Rundfunkbeitrag zu zahlen, lernt irgendwann das Verwaltungsvollstreckungsgesetz und seine Möglichkeiten kennen: Der SWR bemüht die Regelungen darin, um ausstehende Beiträge vollstrecken zu lassen. Das darf der Sender aber gar nicht, wie nun aus einem Beschluss des Landgerichts Tübingen hervorgeht.

Es ging um 572,96 Euro, die der Sender plus Säumniszuschläge und Mahngebühren eintreiben wollte. Der Zahlungsverweigerer hat zunächst gewonnen.

Das Verfahren in dem Gesetz sei für Behörden vorgesehen – und in Tübingen sieht man im SWR dafür die Kriterien nicht erfüllt. Das Tübinger Landgericht ist allerdings nur eines von 115 in Deutschland, und steht mit seiner Meinung bislang allein da. Die Entscheidung ist dennoch ein Paukenschlag und zieht Kreise.

BGH wird Beschluss fast sicher überprüfen

Gegner der GEZ, die längst nicht mehr so heißt, frohlocken in sozialen Netzwerken und verbinden kühne Hoffnungen mit dem Urteil. Sie könnten noch enttäuscht werden: Das Gericht hat nicht nur die Rechtsbeschwerde zugelassen – der SWR wird gegen den Beschluss vorgehen, der Bundesgerichtshof ihn überprüfen. Zudem stellt der Beschluss auch die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags gar nicht in Frage. Heißt: Tübingen hält den Beitrag für zulässig, sagt aber, dass der SWR den falschen Weg wählte, ihn auch zu erzwingen.

Bei dem Urteil geht es also ausschließlich darum, ob eine Vollstreckung des Beitrags bei dem säumigen Kläger rechtmäßig war. Und das war sie nicht, weil das Verfahren für Behörden vorgesehen sei. Das Tübinger Gericht führt dann eine lange Liste von Argumenten auf, wieso der Sender keine Behörde ist.

Weshalb Gericht in SWR eine Firma sieht

• Der Sender bezeichne sich selbst als Unternehmen: Wer auf die Homepage geht, findet eine Rubrik „Unternehmen“, nicht „Behörde“.

• Er handle gewerblich, in dem er Sendezeiten verkaufe. Mit staatlicher Verwaltung sei es aber unvereinbar, wenn die Vollstreckungs-Behörde Geld für Werbung nehme. Einer Behörde sei die Annahme Gelder Dritter auch in Form von „Sponsoring“ oder Produktplatzierung streng untersagt.

• Der SWR-Intendant verdiene mehr als sämtliche Behördenleiter, die Bezüge übersteigen sogar die eines Ministerpräsidenten oder Kanzlers.

• Öffentliche Vergaberichtlinien würden nicht beachtet. Freie Mitarbeiter würden nicht wie im öffentlichen Dienst geregelt bezahlt.

Der SWR unterscheide sich nicht von Privatsendern, deshalb sei es sehr zweifelhaft, wenn er als Vollstreckungsbehörde auftrete. Unter diesen Gesichtspunkten dürfe der SWR nicht wie eine Verwaltung zur Vollstreckung schreiten. Das Gericht fand noch einen anderen Grund: Es fehle ein Nachweis, dass die Forderungen zugestellt wurden.

Im äußersten Fall: Zivilrecht

Jurist Thomas Hummel schreibt im Blog „Jura medial“, wie es weitergehen könnte: Weil die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags bisher nicht in Frage steht, sind Forderungen grundsätzlich zulässig. Zahlen muss man demnach weiter. Selbst wenn das Urteil Bestand haben sollte, kann der SWR sein Geld eintreiben. Dann eben im äußersten Fall auf dem Zivilrechtsweg – so, wie das Privatpersonen und Unternehmen tun müssen. Die Politik steht auch überwiegend zu den öffentlich-rechtlichen Sendern, könnte auch falls nötig Gesetze anpassen.