Bremervörde. Nach schweren Autounfällen behindern Schaulustige zunehmend die Arbeit von Feuerwehr und Polizei. Drei Gaffer müssen nun vor Gericht.

Schaulustige erschweren zunehmend die Arbeit von Polizei und Rettungskräften nach schweren Unfällen. „Das Problem wird größer“, sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow. In den vergangenen fünf Jahren habe die Zahl der Gaffer, die Helfer behindern, deutlich zugenommen. Diese würden immer rabiater. Genaue Zahlen liegen aber nicht vor.

Immer mehr Menschen schauten nicht nur, sondern filmten und fotografierten auch. Manche widersetzten sich den Anweisungen der Polizei und ließen Rettungskräfte absichtlich nicht durch. An diesem Donnerstag beginnt in Bremervörde (Niedersachsen) ein Prozess gegen drei mutmaßliche Gaffer, die nach einem Unfall mit zwei Toten Beamte bei ihrer Arbeit behindert, bedroht und verletzt haben sollen.

Psychologen vermuten Instinkt als Grund fürs Gaffen

Psychologen erklären die Sensationslust als Folge eines Triebes. Bereits im alten Rom habe es etwa bei Kämpfen viele Zuschauer gegeben. „Es muss einen besonderen Reiz haben“, sagte der emeritierte Psychologie-Professor der TU Dortmund, Bernd Gasch.

Auch heute bedeute es für viele Menschen offensichtlich einen Lustgewinn, das Geschehen am Unfallort aus nächster Nähe zu beobachten. Aber: „Wenn Rettungskräfte behindert werden, muss dieser Trieb zurückstehen.“

Viele Schaulustige stellen Unfallfotos und -videos ins Netz

GdP-Chef Malchow erklärt sich die große Zahl der Gaffer unter anderem mit der Verbreitung des Smartphones. „Die Menschen wollen Geschichtenerzähler sein“, sagt er. Ihm zufolge stellen viele Schaulustige Fotos und Videos der Unfälle ins Internet – ohne Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der Opfer. Um eine möglichst gute Geschichte zu bekommen, sei es manchen egal, ob sie am Unfallort die Rettungskräfte behindern.

Für die Polizei bedeutet die Entwicklung einen enormen Aufwand. Bei fast allen großen Unfällen auf Autobahnen werden inzwischen Sichtschutzwände aufgebaut, bei vielen Unfällen braucht es mehr Personal, etwa um Platzverweise auszusprechen.

Gesetzesinitiative gegen Gaffer

Die Politik hat ebenfalls reagiert. Als Konsequenz aus den Vorfällen in Bremervörde hat Niedersachsen im Mai eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht. Die Länderkammer startete daraufhin einen Vorstoß. Nach dem Gesetzentwurf soll das Behindern von Rettungskräften mit Geld- und Haftstrafen bis zu einem Jahr geahndet werden. Dabei soll „behindern“ alles umfassen, was Einsätze erschwert – also auch bloßes Sitzen – oder Stehenbleiben.

Schärfere Sanktionen soll es nach dem Willen des Bundesrats auch für sensationsgieriges Fotografieren und Filmen geben. Der Gesetzentwurf ist inzwischen beim Bundestag eingegangen, wann er beraten wird, steht noch nicht fest. (dpa/schrö)