Hannover. Beim Termin für die Landtagswahl setzt der Ministerpräsident und SPD-Chef auf Stärke.

Für eine Art Krisenstatement vor die Staatskanzlei zu treten, darin hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mittlerweile Routine entwickelt. Pünktlich um kurz vor 15.30 Uhr also fuhr der Wagen des Ministerpräsidenten gestern Nachmittag vor der Regierungszentrale vor. Präzise und ohne Spickzettel erläuterte Weil seine Sicht auf die neuen – oder eben auch nicht so neuen – Vorwürfe, VW schreibe das Drehbuch für Regierungserklärungen des Ministerpräsidenten in Sachen Volkswagen.

Was Weil sagte, lautete zusammengefasst: Wahlkampf. Fragen zur Landespolitik jenseits von VW wollte Weil, anders als die Nachfragen zu VW, allerdings nicht beantworten.

„Legendenbildung, wir hätten Twesten zum Übertritt bewegt, ist verleumderisch. “
„Legendenbildung, wir hätten Twesten zum Übertritt bewegt, ist verleumderisch. “ © Bernd Althusmann, CDU-Landeschef, zu Twestens Fraktionswechsel

Auch die Landespolitik befindet sich im Wahlkampf, seit die Grüne Elke Twesten am Freitag überraschend erklärte, zur CDU-Landtagsfraktion zu wechseln. Denn damit ist die rot-grüne Mehrheit von einer Stimme weg, nun liegen CDU und FDP vorn. Wobei „überraschend“ zwar für die Öffentlichkeit gilt, für einen engeren Kreis der Landespolitik aber nicht ohne Weiteres.

Twesten selbst setzte am Sonntag noch einmal eine längere Erklärung ab, in der sie die Flut der Angriffe als „zum Teil niederträchtig“ bezeichnete. „Ich weise die haltlosen Unterstellungen, insbesondere die, ich sei Teil einer „Intrige“ oder habe mich „kaufen“ lassen, aufs Schärfste zurück“, erklärte sie darin. Befeuert hatte die Ex-Grüne solche Verdächtigungen aber mit dem Fabulieren über mögliche Bundestags- oder Europa-Mandate auch selbst. Dieses geschah aber offenbar komplett auf eigene Rechnung. Angebote am Twesten gebe es nicht, hatten CDU-Parteichef Bernd Althusmann und Fraktionschef Björn Thümler übereinstimmend gesagt.

Bei SPD und Grünen wurde schon seit Tagen über mögliche Kontakte zwischen Twesten und der CDU geraunt. Der Grünen-Abgeordnete Helge Limburg berichtete unserer Zeitung am Sonntag, wie er in der Juni-Sitzung des Landtags das Gespräch mit Twesten gesucht habe. Die war gerade als Grünen-Direktkandidatin in ihrem Wahlkreis durchgefallen und soll – wohl eher vage – von einem unmoralischen Angebot der CDU gesprochen haben. Limburg bot Unterstützung an, sagte „Du bist doch eine von uns“ und hatte nach dem Gespräch das Gefühl, in gutem Einvernehmen mit Twesten auseinandergegangen zu sein, wie er sagt. „Twesten hat ziemlich viel gesagt, und man war oft nicht sicher, wie das nun gemeint war“, sagte ein Abgeordneter aus einer anderen Fraktion am Telefon. Das Thema Twesten und die CDU aber immer mal wieder „herumgewabert“, sei aber nie so ernst gewesen, heißt es in Landtagskreisen. „Frau Twestens Übertritt war keine spontane Entscheidung – er stand am Ende einer lange vorbereiteten Inszenierung“, erklärte dagegen die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder.

Die SPD will in jedem Fall in der nächsten Landtagssitzung die Auflösung des Landtags beantragen. Dabei aber greifen Fristen. So oder so wirbelt der Machtverlust alles durcheinander. Die Untersuchungsausschüsse zu Islamismus und Vergabeaffäre etwa könnten faktisch fast eingestampft werden. Derweil bemühen sich die Fraktionen darum, wie es weitergeht – haben aber schon bei der Terminfindung einige Probleme zu lösen. Dass Ministerpräsident Weil, der auch SPD-Landesvorsitzender ist, die Sache wie angekündigt in die Hand nahm, stieß Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU) sauer auf. So lud nicht nur Weil, sondern dann auch Busemann für diesen Montag zu einem Gespräch über das weitere Vorgehen. „Der Ministerpräsident hatte nur die vier Fraktionsvorsitzenden eingeladen“, erklärte Thümler unserer Zeitung. Ein Gespräch über Neuwahlen mache ohne Beteiligung der Landesvorsitzenden der im Landtag vertreten Parteien aber keinen Sinn. „Bei der Landtagswahl treten bekanntlich die Parteien an, nicht die Fraktionen“, so Thümler. Weil wolle offenbar den Landesvorsitzenden aus dem Weg gehen. Gemeint: Althusmann, seinem Herausforderer.

Was den Wahltermin angeht, so mehren sich wohl die Zweifel am 24. September, an dem auch der Bundestag gewählt wird. Sowohl juristisch wie organisatorisch wird alles eng, in Parteikreisen fürchtet man Klagen „Kleiner Parteien“ vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg. Denn die könnten die Chancengleichheit verletzt sehen, weil sie eben oft keine gut geölten Apparate haben wie die Großen. Wichtig wird sein, was Landeswahlleitung und Landtagsjuristen den Politikern sagen. Denn eine erfolgreich angefochtene Landtagswahl wäre des Chaos’ denn doch zu viel.

Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: Grabenkampf in Hannover