„Von seiner Partei bekam Martin Schulz am Donnerstag die Lizenz, auf Sicht zu fahren: Geh voran, aber nicht zu weit.“

Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang. Die SPD in eine Große Koalition zu führen, wird für Martin Schulz nicht einfach sein. Von seiner Partei bekam er am Donnerstag die Lizenz, auf Sicht zu fahren: Geh voran, aber nicht zu weit, bleib auf Tuchfühlung. Sie haben seinen Kurs bestätigt und ihn mit 81,9 Prozent im Amt bestätigt. Das ist ein gutes Ergebnis für einen Mann, der als Spitzenkandidat so weit unter seinen Möglichkeiten geblieben war.

Schulz hat auf dem Parteitag nicht zu vielen Worte über die Große Koalition verloren, versprochen hat er nur ergebnisoffene Gespräche und ein Maximum an SPD-Inhalten. Nur im Licht guter Ergebnisse kann Schulz dafür werben. Insofern war der Parteitag am Donnerstag noch nicht der entscheidende Härtetest. Der wird noch kommen. Wenn die SPD in die Regierung geht, werden viele Genossen austreten; umgekehrt aber auch, wenn sie sich aus der Verantwortung stiehlt.

Das Dilemma der SPD versteht man am besten mit Blick auf die erste Große Koalition 1966. Damals lag die SPD bei fast 40 Prozent, sie war eine Kümmerer-Partei, hatte ein fortschrittliches Programm und mit Willy Brandt einen charismatischen Anführer. 50 Jahre später hat sich die SPD halbiert, ihr Status als Volkspartei ist gefährdet, Programm und Personal sind nicht wettbewerbsfähig. Deswegen braucht die SPD eine Erneuerung. Die beste Startrampe wäre die Opposition.

Wenn es doch zur Großen Koalition kommen sollte, wird man womöglich eine SPD erleben, die mittwochs im Kabinett schnurrt, während es den Rest der Woche – im Andrea-Nahles-Sprech – „was auf die Fresse“ gibt. Viele Menschen fragen sich, ob das gutgehen kann, regieren und opponieren, verlässlicher Partner und Gegenmacht sein. Aber fragen wir mal andersherum: Könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel so
arbeiten, kommt sie aus dem
Weiter-so-Modus raus?