„Frankreich und Deutschland sollen zur Keimzelle für ein zusammenwachsendes Europa werden.“

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist ein Meister der Symbolik. Wenn er Arm in Arm mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die erste deutsch-französische Gedenkstätte des Ersten Weltkrieges im Elsass einweiht, dann steckt mehr dahinter als die Erinnerung an das grausame Gemetzel von 1914/18. Macron interpretiert die Geschichte als Auftrag für sein großes Zukunftsprojekt: Frankreich und Deutschland, die „Erbfeinde“ von einst, sollen zur Keimzelle für ein zusammenwachsendes Europa werden. Deshalb das binationale Weltkriegsmuseum. Deshalb Macrons Versuch, eine „gemeinsame Geschichte“ zu bauen.

Doch die Pläne reichen viel weiter. Der 39-jährige Chef des Élysée-Palasts versteht sich als Euro-Turbo, der mit seinem Elan für ein erhöhtes Tempo sorgt. Paris und Berlin sind demnach die Schrittmacher der Eurozone, Italien und Spanien folgen dahinter und ziehen den Tross mit. Macron weiß, dass die EU als Ganzes ein schwerfälliges Gebilde ist, das viel Zeit für Beschlüsse braucht. Deshalb setzt er auf die 19 Länder umfassende Währungsgemeinschaft, den Kern Europas.

Für dieses Vorhaben ist der Schulterschluss mit Deutschland unverzichtbar. Deshalb umwirbt Macron Bundeskanzlerin Merkel mit einer beispiellosen Charmeoffensive. Bereits einen Tag nach seiner Wahl zum Präsidenten am 7. Mai düste er nach Berlin, um für seine Ideen Reklame zu machen: ein Budget, ein Parlament und einen Finanzminister für die Eurozone.

Manche Vorschläge des Franzosen mögen zu ambitioniert sein, andere müssen noch auf ihre Praxistauglichkeit abgeklopft werden. Aber wie auch immer die neue Bundesregierung aussehen mag: Sie sollte den neuen Schwung aus Paris als Chance begreifen. In einer Zeit, in der Amerika nicht mehr als traditioneller Pfeiler des Westens gilt, ist Europa mehr denn je zu eigenen Anstrengungen verdammt.