„Tillich war zwar ein Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik, aber loyal. Nun dürfte der Gegenwind stärker werden.“

Man hat sich daran gewöhnt, dass Spitzenkandidaten auch nach dramatischen Niederlagen an ihren Ämtern kleben. Umso ungewöhnlicher ist es, wenn ein Politiker nach einer Wahlschlappe hinwirft, für die er unmittelbar gar nicht Verantwortung trägt: So ist es jetzt beim Rücktritt von Sachsens Ministerpräsident Tillich, der die Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden der sächsischen CDU bei der Bundestagswahl zieht.

Dass die AfD an der CDU vorbeigezogen und stärkste Kraft im Freistaat geworden ist, war wohl eher ein Denkzettel für die in Sachsen besonders umstrittene Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin als ein Misstrauensvotum für Tillich. Dennoch: Die dramatischen Verluste bei der Bundestagswahl wiegen für die CDU in Sachsen besonders schwer. Sie hat hier lange mit absoluter Mehrheit regiert und betrachtet den Freistaat als natürliche Hochburg. Die Lage wurde ernst für CDU-Landeschef Tillich, als der frühere sächsische Ministerpräsident Biedenkopf seinem Ziehsohn das Vertrauen entzog. Biedenkopf machte ihn für das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl verantwortlich und sprach ihm Eignung für das Amt ab. Danach verlor Tillich rasch an Rückhalt.

Tatsächlich hat er zu lange Exzesse einer starken Neonazi-Szene verharmlost. Und lange hatte er eine klare Abgrenzung gegenüber AfD und Pegida vermieden. Damit steht er nicht allein: Im sächsischen Landesverband gibt es längst Stimmen, die für eine mittelfristige Zusammenarbeit mit der AfD eintreten. Die Landespartei wird jetzt wohl in der Flüchtlingspolitik einen härteren Kurs einschlagen. Eine alarmierende Aussicht für die CDU-Vorsitzende Merkel. Tillich war zwar ein Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik, aber immer loyal. Nun dürfte der Gegenwind aus Sachsen stärker werden. Zum Auftakt der Koalitionssondierungen trägt Merkel jetzt eine weitere Bürde.

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