„Die FDP ist bei Horst Seehofers Lieblingsforderung nach der ,Obergrenze’ noch sturer als die Bundeskanzlerin.“

Tag eins nach der Bundestagswahl: Während Schulz den Horror-Job des SPD-Kanzlerkandidaten endlich los ist und sich möglichen innerparteilichen Machtkämpfen geschickt entzog, hat es die Kanzlerin jetzt richtig schwer. Nach der Absage der Sozialdemokraten an eine erneute Große Koalition ist „Jamaika“ die einzige Regierungsoption für Angela Merkel. Aber was nach Sonnenschein und leichter Dröhnung klingt, ist in Wahrheit der Versuch, politische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft zu setzen. Denn Angela Merkel hat es mit drei potenziellen Partnern zu tun, die zusammenpassen wie Magnete, die einander abstoßen.

Da sind einmal die Grünen-Chefs, die unter großem Druck ihrer Basis stehen. Sie werden verdächtigt, die Steigbügel für eine ewige Kanzlerin halten zu wollen. Sie müssten also maximalen Druck bei grünen Kernthemen wie dem Ende des Verbrennungsmotors, dem Ausstieg aus der Braunkohle und der industriellen Massentierhaltung machen. Alles Themen, die Horst Seehofer und die Christsozialen noch höher auf den Baum – beziehungsweise die Palme?– treiben.

In Seehofers Wahrnehmung ist seine Partei durch ein in der Großen Koalition verwässertes Unionsprofil unter die Räder geraten. Warum sollte er einen Koalitionsvertrag unterzeichnen, der eine grüne Handschrift trägt?

Zu alledem kommt noch eine FDP, die mit maximalem Testosteron-Level liberale Politik einfordern wird. „Digital first, Bedenken second“ ist so ein Spruch der FDP, der gut auch als Kriegserklärung an die Grünen taugen würde. Wie soll das zwischen diesen Koalitionären je passen?

Und die FDP ist bei Seehofers Lieblingsforderung „Obergrenze für Flüchtlinge“ noch sturer als die Bundeskanzlerin. Gemeinsam mit Merkel und Grünen könnten die Liberalen das Erregungspotenzial des CSU-Chefs noch steigern. So große Joints gibt es nicht einmal auf Jamaika, dass man Horst Seehofer damit wieder beruhigen könnte.

Aber wie kann eine Lösung aussehen? Eigentlich bleiben nur zwei Varianten übrig: Die Sozialdemokraten machen spätestens nach der Landtagswahl in Niedersachsen die Rolle rückwärts und stehen doch erneut für eine große Koalition zur Verfügung.

Oder: Der Wähler muss erneut ran. Allerdings mit dem erheblichen Risiko, dass Neuwahlen das Polit-Chaos noch größer machen.