„Die Leichtigkeit des Mitmach-Festes Tag der Niedersachsen tut gut.“

„Man feiere nur, was glücklich vollendet ist.“
Goethe

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Dieses Wochenende steht im Zeichen eines bunten, fröhlichen Festes. „Der Tag der Niedersachsen als Fest der Ehrenamtlichen, der Vereine und Institutionen ist ein Mitmach-Fest. Das spiegelt sich in dem vielfältigen Angebot für Groß und Klein wieder. Da wird für jeden Geschmack etwas dabei sein“, sagt der Wolfsburger Oberbürgermeister Klaus Mohrs. Vom Rock-Konzert bis zur Chormusik, vom Volkstanz bis zum Märchen und zu den Youtube-Stars „Lochis“ ging es schon gestern munter zu in der Auto-Stadt. Bis Sonntag dauert das Programm. Diese Unbeschwertheit tut gut, wenn Diesel-Bashing und Terrorangst an den Nerven zerren.

Da waren die Promis schon fort: Otto F. Wachs mit seiner Frau Katharina Schubert und dem Gastronomie-Team.
Da waren die Promis schon fort: Otto F. Wachs mit seiner Frau Katharina Schubert und dem Gastronomie-Team. © Matthias Leitzke/Autostadt

Die Leichtigkeit stößt auf unübersehbare Grenzen. Die Festmeile ist mit schweren Barrikaden abgesperrt, Lastwagen dürfen nur mit Sondergenehmigung fahren. Damit ziehen die Verantwortlichen die Lehre aus den Attacken islamistischer Terroristen, die Fahrzeuge als tödliche Waffen missbrauchten, um wahllos unschuldige Menschen zu ermorden. Diesen Schatten kann niemand ignorieren. Aber es ist gut, dass sich Wolfsburg und seine zahlreichen Besucher nicht von der schönen Idee der niedersächsischen Gemeinsamkeit abbringen lassen. Das Programm ist wie unser Bundesland Niedersachsen – so vielfältig, dass die Begegnungen in Wolfsburg jeden Besucher bereichern werden. Zu wissen, dass es Menschen gibt, die anderen eine engstirnige Weltsicht mit Gewalt aufzwingen wollen, ist das eine. Vor ihnen zurückzuweichen, wäre die falsche Reaktion.

Ganz nebenbei ist der Tag der Niedersachsen eine schöne Gelegenheit, den Nahverkehr in der Region zu testen. Es hat sich in jüngster Zeit einiges getan. Mit Bus und Bahn kommt man schnell und umweltfreundlich nach Wolfsburg – das Festgelände beginnt in der Nachbarschaft des Bahnhofs. Und man spart sich die Parkplatzsuche.

Die Autostadt, wo ebenfalls der Tag der Niedersachsen gefeiert wird, war diese Woche Schauplatz eines bemerkenswerten Abschieds. Otto Wachs, der die Autostadt mitentwickelt und zwei Jahrzehnte lang geprägt hat, verließ sein Unternehmen und den Mutterkonzern Volkswagen unter anhaltendem Beifall. Neben den Weggefährten fanden vor allem Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und der Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh würdigende Worte, die dem kreativ-wehrhaften Wachs gerecht wurden. Beide hatten ihn in den vergangenen Jahren unterstützt.

Wie es um die Feierlaune stand? Es ist ein offenes Geheimnis: Wachs nahm den Abschied nicht aus eigenem Antrieb, sondern aus der Einsicht heraus, dass das Unternehmen Autostadt stabilen Rückhalt an der Vorstandsspitze des Konzerns braucht. Er hätte an seiner Position festhalten können – möglicherweise zum Schaden der mehr als 1000 Beschäftigten und ihrer Projekte. Nun: Die Würfel sind gefallen. Wachs zählt nicht zum Typus des Altmeisters, der aller Welt gram wird, weil er nicht loslassen kann. Er geht frohen Sinnes und wird möglicherweise noch von sich reden machen. Angebote hat er genug. Niemand musste sich also genieren, diesen Abschied mitzufeiern.

Die Neuen an der Spitze haben Anspruch auf einen Vertrauensvorschuss. Neben dem langjährigen Finanzchef Uwe Baunack lenken nun der Vertriebs- und Marketingfachmann Roland Clement (49) und der Kommunikationsprofi Claudius Colsman (48) die weitere Entwicklung. Wir werden erleben, wie viel Spielraum sie erhalten, was ab dem übernächsten Jahr aus dem Kulturort Autostadt mit dem Festival Movimentos wird, wie viel innere Freiheit dieser vielleicht wichtigsten Kommunikationsplattform des Volkswagen-Konzerns bleibt.

Auch ohne Wachs’ Abschied hätte Volkswagen genügend Baustellen. Die Bewältigung der Dieselkrise beherrscht die Schlagzeilen, aber hinter den Kulissen zehrt der Prozess der Stärkung der Eigenständigkeit der Marken an den Kräften. Dieser notwendige Prozess droht zu kippen: An die Stelle des besinnungslosen Zentralismus tritt das Nebeneinander. Die Gefahr einer Entfremdung war selten größer. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Wechsel Wendelin Göbels vom Generalsekretariat des Konzernvorstands auf den Posten des Audi-Personalchefs hohen Symbol- wert. Göbel ist im ganzen Konzern zu Hause, er kann wesentlich dazu beitragen, Brücken zwischen Ingolstadt und Wolfsburg zu bauen. Wer die Zukunft der VW-Werke in Braunschweig und Salzgitter im Auge hat, muss sich wünschen, dass der Konzern seine steuernde Kraft behält und zurückgewinnt.