„Wulffs neuer Job dürfte eher die Politikverdrossenheit steigern, als die Glaubwürdigkeit von Amtsträgern zu erhöhen.“

Gerade Christian Wulff sollte doch wissen, dass ein Geschmäckle eine Staatsaffäre auslösen kann. Denkste! Der 58-Jährige erntet teils massive Kritik, weil er offenbar als Prokurist für die Deutschland-Tochter des türkischen Modelabels Yargici arbeitet. Dabei erhält Wulff als Altbundespräsident doch 236 000 Euro Ehrensold pro Jahr, unabhängig von anderen Einkünften. Jedem anderen Frührentner, der nebenher mehr als 450 Euro monatlich verdient, wird die Rente gekürzt.

So weit die Stammtisch-geeignete Politikerschelte. Es ist weltfremd, von Wulff zu erwarten, ausschließlich als Elder Statesman durch die Welt zu reisen. Denn genau diejenigen, die Wulff wegen seines neuen Jobs verurteilen, sprechen ihm auch die Qualifikation ab, als Altbundespräsident Ehrenämter zu übernehmen. Für sie bleibt Wulff trotz des Freispruchs von den Vorwürfen der Vorteilsnahme ein Raffzahn.

Andererseits sollte besonders Wulff klar sein, welche hohe moralischen Ansprüche an einen (Alt-) Bundespräsidenten gerichtet werden. Fingerspitzengefühl, das er in der Vergangenheit vermissen ließ, fehlt ihm auch jetzt. Sein neuer Job dürfte eher die Politikverdrossenheit steigern, als die Glaubwürdigkeit von Amtsträgern zu erhöhen. Ganz sicher befeuert Wulffs Prokuristenstelle die Debatte um die Fragen, wie Besoldungsansprüche gerechter und Wechsel von Politikern in die Wirtschaft unverfänglicher geregelt werden können.