„VW und Daimler wagten sich früh auf fremde Märkte. Mit wem man Geschäfte machte, interessierte niemanden.“

Die globale Weltwirtschaft ist alles andere als ein Tummelplatz der Tugendwächter. Würden die Akteure gemäß dem Verdikt „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ agieren, dann bestünde die Weltkarte des Big Business zu großen Teilen aus weißen Flecken. Aber dem ist nicht so.

Dass Volkswagen gerade im fernen Brasilien von einer Jahrzehnte zurückliegenden Kumpanei mit blutrünstigen Junta-Generälen eingeholt wird, löst keine Schadenfreude bei den Mitbewerbern aus. Im Gegenteil: Wie beim vermuteten Autokartell haben die Kollegen, beispielsweise die von Daimler, unbeglichene politische Rechnungen in Argentinien vorzuweisen.

Volkswagen und Daimler – über Jahrzehnte Symbole des Wirtschaftswunders und der vielgerühmten Deutschland AG – wagten sich früh und erfolgreich auf fremde Märkte. Mit wem man da Geschäfte machte, interessierte in der Heimat jahrelang niemanden. Volkswagen war von Anbeginn an ein eminent politisches Unternehmen und spiegelte folgerichtig in seiner Unternehmenspolitik die entsprechenden Großwetterlagen in der Welt wider. Im Kalten Krieg der Supermächte waren westliche Geschäfte mit dem Apartheidsstaat Südafrika ebenso kein Problem wie Fabrikbauten in Brasilien und Argentinien, deren Militärdiktaturen trotz gröbster Menschenrechtsverletzungen als Bollwerke gegen den Kommunismus galten. Wer seine Chancen auf allen Kontinenten suchen wollte, der verlangte kein Prüfzeichen mit dem Aufdruck „lupenreiner Demokrat“. Gehören Volkswagen, Mercedes oder auch Ford deshalb heute noch an den Pranger? Nur bedingt. Schließlich stören sich Konsumenten oder Fußballfans ja auch nicht daran, dass Produkte nur deshalb so billig sind, weil Kinder in Bangladesch ausgebeutet, Raubbau an der Umwelt getrieben wird oder Fußball-Weltmeisterschaften in Schurkenstaaten stattfinden. Vorzuwerfen ist Volkswagen indes, dass die Risiken und Nebenwirkungen der Unternehmensgeschichte zum wiederholten Male erst dann als bedeutsam erkannt werden, wenn es längst zu spät ist.