„Die Menge des horriblen Filmmaterials ist unermesslich. Natürlich stumpft das ab.“

Die Geschichte ist widerlich. Tieftraurig. Empörend. Laut „New York Times“ hat sich eine Gruppe Jugendlicher in Florida angeschaut, wie ein Mann im Teich ertrank. Sie halfen nicht. Sie filmten den Überlebenskampf des Afroamerikaners. Via Facebook verbreiteten sie die Aufnahme, auf der man hämische Sprüche und Gelächter hört.

Da sieht man’s wieder, werden manche sagen. Da sieht man wieder, wie unbedacht die Generation von Gefühlskrüppeln Nachweise ihrer Verrohung zusammenträgt. Geht halt alles den Bach runter. Der Vorletzte stellt den Ton ab, der Letzte macht das Licht aus…

Einspruch, natürlich! Von einer Story auf eine ganze Generation zu schließen, war immer schon Quark. Das gilt besonders für die riesigen USA, ein Land übrigens, in dem das gemeinnützige Engagement von Jugendlichen Ausmaße hat, die man in Europa neidvoll zur Kenntnis nimmt. Und gibt es nicht bei uns täglich tausendundeine Tierrechtsdebatte mit moralisch geradezu entflammten Jugendlichen in den Hauptrollen?

Ja, und dennoch soll man Berichte wie den aus Florida ernstnehmen. Die Fähigkeit zur Empathie ist angeboren. Schon Babys können Freude und Leid nachvollziehen. Schon Kinder trennen Wahrheit und Fiktion – so gut es geht. Doch der moralische Kompass ist gefährdet. Die Menge des horriblen Filmmaterials ist unermesslich. Natürlich stumpft das ab. Hinzu kommt: Der Druck, das eigene Leben nach vermeintlich coolen Maßstäben medial aufzubereiten, führt zu vielen harmlos skurrilen, aber auch einigen abgründigen Privatinszenierungen.

Noch wichtiger wird also sein, auch schlichteren, auch bockig-frustrierten Jugendlichen zu verklickern, welcher Film „nur“ Film und welches Leid echtes Leid ist – und was das fürs eigene Verhalten zu bedeuten hat. Das hat mit Medienverteufelung nichts zu tun. Sondern mit Medienbildung.