„Europa darf als Werte- und Rechtsgemeinschaft nichtzusehen, wie Polen abdriftet in ein autoritäres System.“

Es hat also alles nichts geholfen: Die nationalkonservative Regierung Polens hat trotz vieler Warnungen die umstrittene Justizreform im Eiltempo durchgepeitscht. Binnen weniger Tage sind drei Gesetze verabschiedet worden, die die Unabhängigkeit der Justiz schwer beschädigen – von der Absetzung der Richter des Obersten Gerichts bis zur Einführung einer von der Regierung kontrollierten Disziplinierungskammer. Es ist ein weiterer Schritt der PiS-Regierung, ihre Macht mit allen Mitteln zu zementieren. Aber der Bruch mit den Prinzipien der Gewaltenteilung verstößt nicht nur gegen die polnische Verfassung, sondern offenkundig auch gegen die Grundsätze der Europäischen Union.

Jetzt zeigt sich ein Konstruktionsfehler: Wer die formalen Hürden für den Beitritt zur Union einmal überwunden hat, kann später bei Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien schwer zur Ordnung gerufen werden. Das ist ein Grund für das lange Zögern der EU, entschlossen gegen den Demokratieabbau in Polen vorzugehen.

Der andere: Eigentlich wollte die Kommission alles dafür tun, dass nach der britischen Brexit-Entscheidung die übrigen 27 Staaten zusammenhalten. Aber Europa darf als Werte- und Rechtsgemeinschaft nicht zusehen, wie Polen abdriftet in ein autoritäres System. Gut, dass die Kommission jetzt das Ende der Zurückhaltung signalisiert. Ein schnelles Mittel gibt es nicht, um die Entwicklung zu stoppen: Der Entzug des polnischen Stimmrechts in der EU ist vorerst wegen der Blockade Ungarns nicht umsetzbar. Die Kürzung von Fördergeld, die Polen empfindlich träfe, ist nach EU-Recht erst mittelfristig möglich.

Dennoch müssen nicht nur die Kommission, sondern auch die zögerlichen Mitgliedstaaten diese Instrumente zur Demonstration jetzt bereitlegen – als politisches Stoppsignal. Diese Klarstellung ist sich Europa selbst schuldig, wenn es seine Werte ernst nimmt.