„Der türkische Präsident Erdogan wird für Deutschland ein Problem bleiben.“

Man wäre gern dabei gewesen, als dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Nachricht überbracht wurde, dass die Bundesregierung Reisehinweise verschärft und sich vorbehält, nicht länger für Investitionen in der Türkei zu bürgen. Wenn das öffentliche Bild vom Präsidenten zutrifft, gehört er zu den Männern, die stärkere Reize brauchen. In Berlin mögen sie die Türkeipolitik neu ausrichten. Das heißt nicht, dass der Präsident bald den Journalisten Deniz Yücel oder den Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner freilassen wird.

Gemessen an den Erwartungen fiel die Stellungnahme von Außenminister Sigmar Gabriel eher moderat und ausgewogen aus, kurzum: angemessen und steigerungsfähig. Wenn die türkische Regierung sie nüchtern analysiert, wird ihr die Botschaft nicht entgangen sein: Wir halten nicht mehr die andere Wange hin. Für die Türkei wird es freilich erst gefährlich, wenn zwei Faktoren zusammenkommen: Wirtschaftssanktionen und eine abgestimmte europäische Antwort auf die Verletzung von rechtsstaatlichen Prinzipien.

Bundeskanzlerin Angela Merkel steht vor den Trümmern ihrer Türkeipolitik. Als es noch eine echte EU-Beitrittsperspektive gab, hat sie den Türken die Türen zugeschlagen, zunächst als Oppositionsführerin, ab 2005 als Kanzlerin. Ihr Gegenentwurf hieß privilegierte Partnerschaft und ist gescheitert. Hinzu kommt, dass Merkel der Türkei den Flüchtlingsdeal verdankt. Finanziell mag es anders sein, politisch steht die Kanzlerin in Erdogans Schuld.

Weder die EU noch die Nato können ein Interesse an einer isolierten Türkei am Rande Europas haben. Erdogan weiß das und reizt es aus. Der türkische Präsident Erdogan wird für Deutschland ein Problem bleiben. Die nächste Bundesregierung wird ihm entschiedener entgegentreten und größere Reizpunkte setzen müssen.