„Mit Blick auf Montag ist die Stimmung weiter angeheizt worden. Hoffentlich kocht sie nicht über.“

„Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. “

Sepp Herberger, Trainer der Nationalmannschaft von 1950 bis 1964

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VfL-Trainer Andries Jonker und Torsten Lieberknecht nach dem Spiel am Donnerstag.
VfL-Trainer Andries Jonker und Torsten Lieberknecht nach dem Spiel am Donnerstag. © Fabian Bimmer/Reuters

Es ist ein Spiel, das unsere Region bewegt. Es ist der Kampf Groß gegen Klein. Grün-Weiß gegen Blau-Gelb. Individuelle Klasse gegen das Team ohne große Stars. Es sollte – so hatte mancher gehofft – ein Fußballfest in zwei Akten werden. Doch ganz so feierlich ging es schon am Donnerstag nicht zu, ganz so friedlich leider auch nicht. Und daran dürfte sich zunächst wenig ändern.

Das Relegationsduell zwischen Eintracht Braunschweig und dem VfL Wolfsburg ist eben zunächst vor allem eines: Es ist der Kampf um den letzten Platz in der Fußball-Bundesliga. Die Chance, für die Braunschweiger mit einem Sieg am Rivalen aus der Nachbarstadt vorbeizuziehen. Die Chance für die Wolfsburger, ihre Fans zumindest mit einem Erfolg gegen die Braunschweiger ein klein wenig zu versöhnen. Es steht für beide Vereine viel auf dem Spiel. Wer einmal weiter denkt, weiß, dass es um Spielerverträge, Honorare, die Zahl der Mitarbeiter im Verein und vieles mehr geht –die Anspannung ist verständlich, und sie war am Donnerstagabend oft auf dem Platz zu spüren. Einsatz und Leidenschaft bestimmten das Spiel über weite Strecken – ein fußballerischer Leckerbissen war es eher nicht. Fehlentscheidungen heizten das Geschehen weiter an, umstritten ist ein Wort, das immer wieder fiel. Einerseits mit Blick auf Handspiele und Fouls, andererseits aber auch auf den Einsatz der Polizei am Spieltag.

Endgültige Aufklärung kann es kaum geben: Wer hat nun wirklich wann wie was auf Polizisten oder den Wasserwerfer geschmissen? Doch, dass dessen Einsatz dann zumindest auch Unschuldige unter den Braunschweiger Fans getroffen hat, ist nicht abzustreiten. Zugegeben: Wer als Polizist an einem solchen Tag im Einsatz ist, der kann eigentlich nur verlieren. Er oder sie muss unterscheiden zwischen harmlosem Sprücheklopfen und bewusster Provokation, zwischen Fans mit guter Laune und solchen, die Streit, bisweilen die körperliche Auseinander- setzung suchen. Die einen ärgern sich über zu viele Polizisten („Das provoziert noch mehr.“), die anderen über zu wenige („Ich fühle mich hier nicht sicher.“). Auf dem Rücken der Beamten wird mancher Streit ausgetragen, weil die Fans der anderen Mannschaft unerreichbar sind. Im Millionenspiel Fußball sind die Polizisten die Fußabtreter geworden. Als Belohnung für den Einsatz am Abend, für Wochenenden ohne Familie gibt es selten Lob, selten Dank, oft blöde Sprüche, teils Beleidigungen und Angriffe. Daher an dieser Stelle noch einmal: Danke an diejenigen, die für die Sicherheit der vielen normalen Fußballfans sorgen.

Und doch muss – wenn es angebracht ist – auch Kritik am Vorgehen im Einzelfall erlaubt sein. Der Einsatz der Wasserwerfer wirkte zumindest von außen reichlich überzogen, zumal diverse Aufnahmen zeigten, dass in verschiedenste Richtungen gezielt wurde. Das ist zumindest verwunderlich, wenn angeblich einige wenige für Streit gesorgt hatten. Wie gesagt: Die Polizisten leisteten vor Ort Schwerstarbeit, sie mussten die Folgen der gewachsenen Rivalität aushalten, sie mussten es ausbügeln, dass die Umstände das Risiko noch erhöht hatten. Ein Feiertag, die lange Zeit vor dem Spiel – Zeit für die letzte alkoholische Stärkung, Zeit um zu provozieren. Die Polizei hat – auch dies ist unbestritten – an diesem Tag vieles richtig gemacht. Doch wäre es zu viel verlangt, zuzugeben, dass an der einen Stelle möglicherweise von der Einsatzleitung zu heftig reagiert wurde? Zumindest das Angebot, die Polizeiaufnahmen prüfen zu lassen, wäre ein Zeichen für Transparenz. Null Toleranz – diese Strategie klingt nicht nur gut, sie ist mit Blick auf Gewalttäter die einzig richtige. Aber es kommt auf die Wahl der Mittel an – und auf die Frage, ob andere Fans ebenfalls leiden müssen. So bleiben noch Fragen offen.

Mit Blick auf Montag ist die Stimmung weiter angeheizt worden. Hoffentlich kocht sie nicht über. Die Ausgangslage hat sich durch das 1:0 nur etwas verändert. Noch immer birgt das Duell so viel Brisanz, noch immer stehen mindestens 90 Minuten Kampf und Leidenschaft auf dem Platz an. Und es ist nun einmal so: Die große Party wird nur ein Teil der Fans nach dem Spiel am Montagabend feiern können. Den letzten Platz in der Fußball-Bundesliga kann sich nur einer sichern. Ein großes gemeinsames Fest? Das wird es nicht geben, das muss es gar nicht geben. Aber, so bitter es klingt: Wenn am Dienstag nur über die umstrittenen Szenen auf dem Platz gesprochen wird, ist viel erreicht. Zumal das die Realität viel besser zeigen würde: Denn in allen Unternehmen, in allen Schulen, in allen Orten dieser Region werden ab Dienstag wieder die Blau-Gelben und die Grün-Weißen gemeinsam arbeiten, lernen, reden und lachen.