Die Stadt Salzgitter, mit ihren 31 Stadtteilen und rund 100 000 Einwohnern, ist überfordert. Nicht generell, aber doch partiell. Der Zuzug von aktuell mehreren hundert Flüchtlingen macht Sorge. Rund 5000 Flüchtlinge leben bereits in der Stahlstadt, viele flohen vor dem syrischen Bürgerkrieg. Der Hilferuf von Oberbürgermeister Frank Klingebiel in Richtung Landesregierung ist verständlich, wenn man vergleicht, dass Hannover (530 000 Einwohner) weniger als 4000 Flüchtlinge beherbergt.

Der CDU-Politiker steht auch nicht unter Verdacht, ein gnadenloser Populist zu sein. Seine Überforderungsthese schickte er in einem diskreten Brief direkt an den Ministerpräsidenten – er hing das nicht an die große Glocke.

Nein, Klingebiel, seit Jahren Präsident des Niedersächsischen Städtetags, gilt als Kenner der kommunalen Selbstverwaltung. Er weiß, wie die Verteilung von öffentlichen Mitteln funktioniert. Erst Bund, dann die Länder – und am Ende der Nahrungskette nicht selten Städte und Gemeinden.

Wenn man den ersten Bürger Salzgitters so reden hört, hat man aber nicht den Eindruck, er würde der Formulierung zustimmen, eine gelungene Integration von Flüchtlingen böte mehr Chancen als Risiken. Es klingt mehr nach Altpräsident Gauck und der Aussage von „weiten Herzen, aber endlichen Möglichkeiten“.

Dass das so ist, hängt sicherlich auch mit den Besonderheiten einer Stadt zusammen, die keinen echten Stadtkern besitzt und deren Einwohner sich oft mehr mit ihrem Ortsteil identifizieren, sich also in erster Linie als Thieder, Ringelheimer, Watenstedter fühlen. Eine Tatsache, die womöglich einem ausgeprägteren städtischen Zusammengehörigkeitsgefühl und auch der Bewältigung integrativer Aufgaben im Wege steht.

Es ist nachvollziehbar, dass Klingebiel um finanzielle Hilfe bittet, aber auch für politische Maßnahmen wie eine Zuzugsbeschränkung streitet. Genauso nachvollziehbar ist es aber auch, dass anerkannte Flüchtlinge, die mindestens drei Jahre in Deutschland leben werden, die Nähe zu denen suchen, die das gleiche Schicksal teilen. Die Landesregierung kann sich einen Präzedenzfall nicht leisten. Sie kann nicht für Salzgitter eine verschärfte Wohnsitzauflage einführen, andere kommunale Sorgenkinder davon aber ausnehmen. Ministerpräsident Weil wird dennoch – auch mit Blick auf die Landtagswahlen und das große sozialdemokratische Wählerpotenzial dort – Salzgitter in seiner Not entgegenkommen. Vielleicht gibt es am Ende mehr Geld für Integrationshilfe und soziale Projekte. Dass es mehr als Geld braucht, um Integrationshemmnisse zu überwinden, weiß auch Klingebiel. Dafür ist er lang genug Politiker.