„Erdogans Strategie, Angst vor Feinden zu schüren und sich als Retter der Nation zu präsentieren, hat bisher verfangen.“

Dass Auslandsgeheimdienste im Ausland spionieren oder dort sesshafte Staatsfeinde beobachten, ist nicht nur nichts Besonderes – es ist deren Aufgabe. Sich pauschal darüber zu erregen, dass der türkische Dienst MTI auch in Deutschland aktiv ist, wäre einigermaßen heuchlerisch. Problematisch wird die Sache erst durch die derzeitige Definition von „Staatsfeind“ durch Ankara. Dazu gehört mittlerweile fast jeder, der nicht für Erdogan und sein angestrebtes Präsidialsystem ist.

So werden nicht nur innertürkische Konflikte zu uns exportiert. Dies geht auch gegen die Grundregeln der Rechtsstaatlichkeit. Dafür Unterstützung von deutschen Behörden und Politikern zu erwarten, war einigermaßen abenteuerlich. Dass diese im Gegenteil nun Deutschtürken informieren, vor Reisen in die Türkei warnen und Beweise für bisher bestrittene türkischen Geheimdienstaktivitäten hierzulande in Händen halten, dürfte Ankara erneut in Wallung versetzen. Das aber passt auch in die derzeitige Eskalationsstrategie Erdogans im Vorfeld seines Verfassungsreferendums. Ein Erfolg ist ihm am 16. April längst nicht gewiss. Da kommt es auch auf jede Stimme der wahlberechtigten Auslandstürken an. Seine Strategie, Angst vor Feinden zu schüren und sich als Retter der Nation zu präsentieren, hat bisher verfangen. Erdogan hat sein Land zwar zum extrem schwierigen Partner entwickelt. Es bleibt aber gerade in Sicherheitsfragen auch ein ebenso extrem wichtiger Nato-Partner. Es dürfte nicht allzu schwerfallen, noch Geduld bis zum 16. April zu bewahren und darauf zu hoffen, dass sich die Lage danach beruhigt und die Zusammenarbeit wieder auf zivilisierteren Bahnen bewegen wird. Darauf verlassen kann sich aber niemand. Von Europa und seinen Werten hat sich Erdogan schon selbst verabschiedet. Gefragt ist nun ein tragfähiger und von Illusionen freier Plan B für die künftigen Beziehungen mit der Türkei.