„Interkultur hat etwas von Aufbruch, Neuland und Welt umarmung.“

Unser redaktionelles Rechtschreibprogramm setzt sich souverän über intellektuelle Modewörter hinweg. Scheibt man „Interkultur“, schlägt es statt dessen „Hirtenkultur“ vor. Ach, wären das friedliche Zeiten, in denen man Kongresse über ländlich-friedliche Idyllik abhielte!

Bei dem Kongress freilich, der nächste Woche in Braunschweig stattfindet, geht es um drängendere Aufgaben. Flüchtlinge leben unter uns. Und viele werden bleiben. Wenn diese Menschen in der Fremde nicht untergehen sollen oder abgleiten in Parallelgesellschaften oder in Gewalt (wie jetzt in Peine), dann müssen sie aufgefangen, beteiligt, wertgeschätzt werden. Das kann auf kulturellen Spielfeldern ebenso gelingen wie auf anderen. Insofern kann ein solcher Kongress nicht schaden. Auch wenn das elaborierte Programm bestenfalls bereits integrierte Ausländer erreichen wird. Für frisch Eingereiste dürfte schon das Wort „Bundesfachkongress Interkultur“ eine zungenbrecherische Hürde sein. Aber wenn die betriebsinterne Verständigung Früchte trägt im Sinne einer gelingenden Integration, warum nicht?

Die Theater der Republik stürzen sich allerdings schon seit Jahren wie Verdurstende auf die Interkultur. Endlich eine neue Aufgabe! Endlich wieder: moralische Anstalt! Nicht mehr Wellnessoase einer alternden Mittelschicht in ihrer Sehnsucht nach dem 20. Jahrhundert, wie ein Kritiker schrieb. Interkultur hat etwas von Aufbruch, von Neuland, von Welt umarmung. Endlich!

Sicher ist es richtig, Hemmschwellen für Fremde abzubauen. Nichts gegen gut gemeinte Interkultur-Programme. Aber das Theater ist eben nicht zuvörderst eine pädagogische Anstalt oder ein gesellschaftlicher Reparaturbetrieb. Packend muss Theater sein, dann packt es alle. Und: allgemeinmenschlich. In dem altmodischen Wort ist die ganze Interkultur eigentlich schon drin.