„Wir sollten froh sein, dass wir eine unabhängige Justiz haben. Und wir sollten darauf bestehen, dass niemand Hand an diese Unabhängigkeit legt.“

„In einer Monarchie ist nichts gerecht.“
Asfa-Wossen Asserate

Präsidentenwechsel beim Amtsgericht Braunschweig. Eine Ministerin, ein Oberlandesgerichtspräsident, ein geschiedener und ein neuer Amtsgerichtspräsident, ein Landesbeauftragter, eine Personalratsvorsitzende, ein Präsident der Notarkammer, eine Leitende Oberstaatsanwältin und eine stellvertretende Amtsgerichtspräsidentin treten ans Mikrofon, nur knapp unterbrochen durch das Juristen-Duo „Two’s Enough“.

Staatsanwalt Ziehe singt „Easy“. Er kann das gut, mit warmem Timbre und prima Timing. Aber das größte Vergnügen haben die, die auf den Text hören, den Lionel Richie für die „Commodores“ geschrieben hat: „Warum in aller Welt sollte mir jemand Ketten anlegen wollen“, heißt es da. Sage noch einer, Juristen hätten keinen Sinn für Ironie. Zwei Stunden dauert das Rede-Programm. „Ich weiß, es klingt komisch, aber ich halte den Schmerz nicht aus“, singt Ziehe. Zeit und Schmerz sind gut investiert. Denn diese Art des feierlichen, öffentlichen Amtswechsels ist ein starkes Signal einer Justiz, die sich ihrer Bedeutung und ihrer Pflicht zur Öffentlichkeit bewusst ist. Und sie bietet Anlass, Freude und Stolz über unseren Rechtsstaat zu empfinden.

Man kann bei solchen Hochämtern der Rechtsstaatspraxis die Rollenverteilung erleben zwischen der Politik und den Gerichten der verschiedenen Ebenen, zwischen Richtern, Staatsanwälten und Anwälten und Notaren. Da wird das respektvolle Miteinander beschworen und spürbar, aber zugleich klargemacht: Wir arbeiten zusammen, aber wir stecken nicht unter einer Decke.

Ganz nebenbei ist es immer gut, zu sehen, dass engagierte Menschen vorankommen. Der bisherige Präsident Detlev Rust, der in Wolfenbüttel geboren ist und dort bis heute lebt, leitet jetzt im Justizministerium die vielleicht wichtigste Abteilung. Sie beschäftigt sich mit Personal, Haushalt und Organisation und entscheidet damit über die Arbeitsfähigkeit der niedersächsischen Gerichte maßgeblich mit. Der neue Präsident Ingo Groß kommt aus dem hannoverschen Ministerium, war aber lange Richter in Braunschweig und hat nicht nur als Eintracht-Fan in der Löwenstadt gewurzelt. Der Ausruf „Attacke“ sei sein Markenzeichen, plauderte Ministerin Niewisch-Lennartz aus – der Mann will etwas bewegen.

OLG-Präsident Wolfgang Scheibel, ein kluger Mann, der lieber in der Justiz als in der Politik arbeiten wollte, hat doppelten Grund zur Freude. Der kleine OLG-Bezirk Braunschweig hat einen Freund im Ministerium mehr, und er hat einen tatkräftigen Präsidenten an der Stelle, an der die meisten Bürger in Kontakt mit der Justiz kommen.

Der technologische Wandel hat auch die Rechtspflege erreicht – vielleicht kann die Justiz in der Region die Chance nutzen, die in überschaubaren Strukturen liegt: Die Digitalisierung drängt und braucht Pioniere.

Warum widmet sich diese Kolumne unseren Justizbehörden, also dem vermeintlich Selbstverständlichen? Trotz Terror in London, trotz Pöbelei in Ankara und Chaoswirtschaft im Weißen Haus, trotzdem sich die deutsche Bundeskanzlerin dem Druck ihrer Parteibasis beugt und nun am Popanz doppelte Staatsbürgerschaft mitbaut?

Ganz einfach: Weil wir in Deutschland froh sein sollten, dass wir eine unabhängige, streng nach Recht und Gesetz arbeitende Justiz haben. Und wir sollten darauf bestehen, dass niemand Hand an diese Unabhängigkeit legt. Ein bisschen Rechtsstaat geht nicht – hier gilt das Entweder-oder.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, übt in dem Interview, das wir Ihnen heute anbieten, deutliche Kritik an US-Präsident Donald Trump. Die Kritik des höchsten deutschen Verfassungsrichters an einem ausländischen Staatsoberhaupt ist ungewöhnlich – und leider angebracht. Der Wahlsieger glaubt, er könne sich über das Recht stellen, er schmäht Richter, die ihn eines Besseren belehren. Ein fatales Beispiel für die Staatenlenker dieser Welt.

Wir erleben ähnliche Übergriffe auch in Europa, in Ungarn und in Polen und in der Türkei sowieso. Die Missachtung der Gewaltenteilung scheint eine Zeitströmung zu sein, die besonders dort schwere Folgen hat, wo das System der „checks and balances“ nicht sehr tief verankert war.

Deutschland erwächst daraus eine besondere Verantwortung. Wir haben in diesem Land die Gesinnungsjustiz erlebt, wir haben Richter und Staatsanwälte gesehen, die sich durch zwei Diktaturen instrumentalisieren ließen, für Rassenideologie, für die Gleichschaltung aller gesellschaftlichen Kräfte. Mit der Hilfe unserer westlichen Verbündeten haben wir die Lehren aus dem katastrophalen Irrweg der Unfreiheit gezogen. Deshalb tun gerade wir gut daran, für die Unabhängigkeit der Justiz und für die Freiheit der Meinung weltweit einzutreten.

Der neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte seinen türkischen Kollegen Erdogan in seiner allerersten Rede auf, den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel freizulassen. Damit tat er das, was wir unserer Geschichte und denen schuldig sind, die von autoritären Ideologen unter Druck gesetzt werden.

Der Rechtsstaat ist ein starkes Bollwerk gegen Machtmissbrauch. So gesehen, kann ein Präsidentenwechsel am Amtsgericht in doppelter Hinsicht Anlass einer Feierstunde sein. Vielleicht hat sie ja deshalb zwei Stunden gedauert.