„Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir uns Unbeschwertheit nicht mehr leisten können oder wollen?“

Es hatte etwas Erschreckendes, wenn man es sehen wollte: So viel Polizei, so viel Sicherheit war noch nie beim Braunschweiger Karnevals-Umzug Schoduvel, der am Sonntag 150 000 Menschen anlockte. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Beamte, Blockaden mit Containern und schweren Fahrzeugen, hermetische Überwachung rund um den Zug, viele Streifen inmitten der Feiernden, Polizeifahrzeuge in einer Massierung, wie man es selten sieht. Der Staat macht ernst, er muss es, ja, es war notwendig. Denn der Karnevalsumzug ist ein weiches, verletzliches Ziel. An jeder Kurve, an jedem Sammelpunkt hätte es friedlich Feiernde treffen können. Es war klar, dass der verstörende Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit einem LKW sowie etliche ähnliche Fälle weltweit nicht ohne Konsequenzen für Braunschweig und die anderen Umzüge bleiben würden. So wird es auch am heutigen Rosenmontag bei den großen Spektakeln im Westen nicht anders sein. Und wir wünschen uns nur, was wir uns am Wochenende sehnlichst auch hier bei uns gewünscht haben: dass alles friedlich über die Bühne geht. Die enormen Sicherheitsanstrengungen lassen uns den Blick auf eine Frage werfen, die im Moment nicht wenige umtreibt: Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir uns Unbeschwertheit nicht mehr leisten können oder wollen? Darauf gibt es eine klare Antwort. Gerade dann kommt es um so mehr darauf an, Flagge zu zeigen und zu bekennen, was uns wichtig ist. Aber auch wach und aufmerksam zu sein. Wenn man das ist, kann man viel entdecken. Einerseits Anzeichen für Gefahr, die niemand verharmlosen sollte. Schließlich möchte später niemand gefragt werden: Warum hast Du das nicht verhindert? Andererseits sieht der aufmerksame Beobachter beim Schoduvel eine multikulturelle Stadt, wie wir sie uns wünschen. Eine, die gemeinsam feiert und einen uralten Brauch wiederentdeckt, den manche schon als verknöcherte Altherren-Veranstaltung abgetan hatten, der aber mittlerweile Karriere macht als Groß-Event mit Kult-Charakter. Was am schönsten zu sehen ist: Die Kinder werden mitgenommen – und oben vom Wagen erkennst du kaum Schranken oder Grenzen. Das ist eine so wertvolle Erfahrung, dass es sich lohnt, diese Freiheit zu verteidigen, wenn es nötig ist.