„Wenn nicht reagiert wird, ist es bald vorbei mit der Stärke des Rechts. Dann gilt endgültig das Recht des Stärkeren.“

Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Der Blick auf die Justiz verrät: Sie ist überlastet. Unionsfraktionschef Volker Kauder trifft mit seinem Plädoyer für mehr Personal einen Nerv. Diese Nöte der Justiz waren bisher im toten Winkel der Bundespolitik.

Bei der Polizei ist die Trendwende eingeleitet. Dabei darf man nicht stehen bleiben. Die Gerichte müssen personell Schritt halten können. Die Länder haben sie jahrelang auf Verschleiß gefahren. Jetzt ist der Druck im Kessel groß, jetzt reagieren alle Länder und stellen ein. Aber die Engpässe sind noch da.

Der Verdacht liegt auf der Hand, dass die Staatsanwälte Ermittlungen einstellen, um sich selbst zu entlasten. Es ist eine Frage der Opportunität, so legal wie legitim, aber es untergräbt die Rechtsmoral. Sie passen die Arbeit den Kapazitäten an. Andersherum wird schon eher ein Schuh daraus. Wenn nicht reagiert wird, ist es bald vorbei mit der Stärke des Rechts. Dann gilt endgültig das Recht des Stärkeren, der reicheren Mandanten, der cleveren Anwälte, die Deals aushandeln, sich die Überlastung der Justiz zunutze machen.

Bundesjustizminister Maas ist fein raus. Die Länder sind für das Personal zuständig. Ihre Aufgabe wäre es auch, die Gerichte zu modernisieren. Maas hätte allerdings die mediale Zugkraft, Fehlentwicklungen zu benennen. Oft hat er Rücksicht auf seine Länderkollegen genommen – überwiegend Sozialdemokraten...

Es wäre allen gedient, wenn die Nöte des Rechtssystems zum Politikum werden. Besser ein Wahlkampf um echte als um eingebildete Sorgen. Mehr Geld für Stellen ist da. Natürlich ist es seltsam, dass die Koalition erst im Wahljahr mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnt. Sie hatte vier Jahre Zeit für eine vorausschauende Personalpolitik. Sei’s drum – besser spät als nie.